Warum Sprechen und Zuhören der Seele wohl tun
Ob Handy in der U-Bahn oder stundenlanges Tratschen bei Partys – wir Menschen reden gern. Auch wenn wir uns nichts Neues zu sagen haben. Warum tun Gespräche uns wohl, auch ohne sinnvollen Inhalt?
Claudia kommt erschöpft von der Arbeit nach Hause. Sie hat Überstunden gemacht, sich mit Kunden herumgeärgert, und vom Chef kam nicht mal ein Dankeschön. Da ruft ihre Freundin Lisa an. Über eine Stunde quatschen sie über ihre Eltern, gemeinsame Freundinnen und den neuesten Beziehungsklatsch. Also eigentlich über nichts. Dennoch hat Claudia nach dem Gespräch blendende Laune. All ihr Ärger ist wie weggeblasen.
Warum bauen Gespräche uns auf? Drei Gründe sind entscheidend:
1. Claudia hat die Beziehung zu ihrer Freundin Lisa gefestigt. Sie haben gemeinsame Ansichten ausgetauscht und fühlen sich verbunden. Doch das allein kann es nicht sein. Schließlich kennen sich die beiden seit fast zwanzig Jahren. Das Gespräch hat nur bestätigt, was beide auch schon vorher voneinander wussten. Es muss weitere Gründe geben.
2. Klatsch und Tratsch sind Balsam für die Seele. Sie geben den Gesprächspartnern ein Gefühl der Überlegenheit. Sie informieren einander über die Motive und kleinen Schwächen der Verwandten, Kollegen und Freunde aus ihren unmittelbaren Umfeld. Sie bestätigen einander, dass sie das soziale Gefüge dieser Leute durchschauen. Sie blicken ein bisschen von oben herab auf Dritte. Damit geben sie einander indirekt Anerkennung für ihre soziale Kompetenz.
3. Unsere Alltagssprache benutzt mehr positive als negative Wörter. Diese Vermutung aus den 1960er Jahren konnte kürzlich durch eine Studie bestätigt werden. Ordnet man alle Wörter nach ihrem emotionalen Gehalt auf einer Skala von eins (sehr negativ) bis zehn (sehr positiv) ein, so erreichen die meisten Wörter einen Wert von über fünf. Gespräche und Texte wirken daher aufbauend auf die Seele.
Selbst wenn wir über ein Unglück informieren, benutzen wir nicht nur negative Wörter. Wir sprechen auch über glückliche Erinnerungen, Anteilnahme und Hoffnungen. Und wer Neid und Missgunst versprüht? Der Sprecher versucht sich selbst in ein günstiges Licht zu rücken.
Jeder Kontakt mit der Sprache wirkt daher wie eine kleine Lektion in positivem Denken und Fühlen. Ideal ist das Gespräch mit guten Freunden. Doch auch das Lesen von Bücher oder das Zuhören in Radio und Fernsehen kann uns positiv stimmen. Jede längeren Folge von Wörtern wirkt wie eine Mini-Psychotherapie.
Wenn Sie also das nächste Mal trüber Stimmung sind – ziehen Sie sich nicht ins stille Kämmerlein zurück. Greifen Sie zu einem Gute-Laune-Buch. Oder lesen Sie einen unserer über vierhundert Egonet-Artikel. Wir verbinden gute Laune mit nützlichen Informationen für Ihren Alltag. Wenn Sie zu erschöpft zum Lesen sind: Schalten Sie keinen Musiksender ein, sondern ein Programm, in dem viel gesprochen wird.
Quelle der Studie:
PNAS, doi: 10.1073/pnas.1411678112
veröffentlicht im März 2015 © by www.berlinx.de
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