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Gerade eben galten die Jungs noch als doof, plötzlich werden sie heimlich angehimmelt. Mädchen, bis vor kurzem noch ignoriert, werden in stiller Begehrlichkeit mit Blicken verfolgt. EGO-Net erläutert, wie die frühen Teenagerjahre für das spätere Selbstverständnis als Frau bzw. Mann die Weichen stellen.

Äußerlich ist die Verwandlung durch das Heranwachsen der Brüste, des Penis, der Hoden, von Haaren in Scham- und Achselbereich zu erkennen. Die Stimme der Jungen verändert sich, sie wird tiefer. Zugleich wandeln sich die Körperproportionen. Die erste Menstruation tritt ein, wenn der Körper des Mädchens in seinem Wachstum zwanzig Prozent Fettanteil erreicht hat – bei Magersucht bleibt deshalb die Regel aus. Gesteuert wird der Prozeß von den Geschlechtshormonen – und die verändern nicht nur den Körper, sondern über das Gehirn auch das Seelenleben. Nach 1968 galt die Teenagerzeit als Alter der Revolte gegen die Eltern und die von ihnen aufgebaute Gesellschaftsordnung. Selbstbewußte Jugendliche im Aufstand gegen das Establishment – ist es die Aufgabe der Jugend, die Welt zu erneuern?

Wohl kaum, wenn man Umfragen über das Selbstverständnis der Teenager von heute glauben mag. Zwar machen sich viele von ihnen Gedanken über das Klima, den Tierschutz oder die Gentechnik. Größere Sorgen bereitet ihnen aber die eigene Zukunft, also Karriere und Wohlstand. Außerdem wächst die Zahl der Jugendlichen, die den Übergang zum Mannes- oder Frauenalter fürchten und magersüchtig werden – das Hungern kann den Eintritt der Geschlechtsreife verzögern. Schlossen sich vor hundert Jahren Teenager Jugendbewegungen (Wandervogel, Pfadfinder) an, um sich von den Eltern abzunabeln, inszenieren sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts lieber ihre individuelle Einzigartigkeit. Noch nie gaben sie soviel Taschengeld für Klamotten und Statussymbole aus.

Die Eltern der 68er Generation fürchteten noch, daß die Pille und die sexuelle Revolution Moral und gesellschaftliche Stabilität über den Haufen werfen werden. Ihre Befürchtungen haben sich nicht erfüllt. Auch wenn lebenslange Ehen selten geworden sind – 85 Prozent sehen darin immer noch ein erstrebenswertes Ideal. Zwar hat sich der Umgang mit Sex gelockert – Auswirkungen hat das aber nur auf die körperliche Selbstdarstellung oder das flapsige Reden. Wenn es um die Praxis geht, haben Treue und feste Bindung als Voraussetzung für körperliche Hingabe ihren Stellenwert behalten.

Zwei Neuerungen sind jedoch auffällig:

  1. Aufgrund der eiweiß- und fettreichen Ernährung beginnt die Pubertät immer früher, weil unsere Kinder schneller und eher Körperhöhen von 1,70 Meter und mehr erreichen . Lexika der 60 und 70er Jahre nennen für Jungs noch 13 bis 16 Jahre, für Mädchen 11 bis 14 Jahre als Zeitpunkt der ersten Samenproduktion bzw. der Menarche. Doch von Jahr zu Jahr verfrüht sich dieser Zeitpunkt um etwa acht Wochen. Inzwischen ist das Durchschnittsalter für Jungs auf etwas über zwölf Jahre, für Mädchen auf etwas unter zwölf Jahre gesunken. Mit einer Verfrühung der Pubertät ging schon immer ein sinkendes Alter für den ersten Sex einher. Verloren Teenager ihre Unschuld um 1990 noch mit durchschnittlich 16 Jahren, sind sie heute beim ersten Mal im Mittel 14 Jahre alt. Dadurch wird die Spanne zwischen sozialer Volljährigkeit und biologischem Erwachsensein immer größer. Das hat praktische Auswirkungen. Zum Beispiel gibt es immer jüngere Mütter. Setzt sich der gegenwärtige Trend fort, wird es bald Mütter geben, die gerade mal ihre Schule beenden, wenn ihr eigenes Kind bereits eingeschult wird.
  2. Jungen und Mädchen gleichen sich an. Bis vor kurzem galt, das Mädchen früher geschlechtsreif werden und im Schnitt auch eher erste Sexerfahrungen haben als Jungs. Inzwischen liegen beide Geschlechter statistisch nur noch rund fünfzehn Wochen auseinander. Die Zahl, daß Sex für 14jährige zur Norm wird, gilt für beide Geschlechter. Mädchen suchen sich nicht länger ältere Jungs für ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Gleichaltrige Pärchen werden häufiger. Die Zeit, da Klassenkameraden von den Mädchen noch als halbe Kinder betrachtet wurden, scheint der Vergangenheit anzugehören. Die zunehmende Angleichung der Geschlechter, die wir in unserer Serie schon in vielen anderen Lebensbereichen beobachtet haben, findet nunmehr auch bei Erwachsen-werden statt. Da in dieser Zeit ein wichtiger Grundstein für das spätere Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht gelegt wird, dürfte diese Angleichung günstig für das zukünftige Verhältnis von Männern und Frauen zueinander sein.

Wie stark prägen Erfahrungen der frühen Teenagerjahre späteres Verhalten? Die Pubertät ist eine sensible Phase für unser Selbstbewußtsein. Gute und schlechte Erlebnisse dieser Zeit nutzen wir später als Norm und Entscheidungshilfe. Ein aussagekräftiges Beispiel liefert die erste Liebe. Umfragen zeigen, daß zum Beispiel Frauen sehr stark auf ihren ersten Liebhaber jener Jahre reagieren. War er sensibel und baute ihr Selbstbewußtsein durch Komplimente auf, geht sie mit großem Selbstvertrauen in spätere Beziehungen. Krittelte er an ihr herum und betrog sie, wird sie später Angst haben, sich dem nächsten Partner zu öffnen, auch wenn er Vertrauen verdient. Jede dritte Frau sagt, daß sie spätere Männer an ihrem Mr. First gemessen hat. Umgekehrt meint fast jede Vierte, daß sie aufgrund negativer Erfahrungen ansichtlich nach jemandem suchte, der das genaue Gegenteil ihres ersten Lovers war. In beiden Fällen zeigt sich, in welchem Maße sich Pubertätserfahrungen zur Norm für das Erwachsenenalter entwickeln.

Veröffentlicht im Oktobe 2001 © by www.berlinx.de

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