So bändigen Sie das alltägliche Chaos
Ordnung ist das halbe Leben, predigten unsere Großmütter. Wie langweilig! Doch wer schon einmal über Tage vergeblich nach einem wichtigen Dokument gesucht hatte, wird seine Vorfahren um ihre Weisheiten beneiden. EGO-Net zeigt Ihnen, wie Sie mit wenig Aufwand den Überblick zurückgewinnen.
Haben Sie schon mal vor dem Fernseher über verklemmte Typen gelacht, die ihre Bücher der Größe und Farbe nach ordnen und jedes Blatt Papier parallel zum Schreibtischrand hin ausrichten? Schließlich wissen wir: Nur kleine Geister halten Ordnung, das Genie beherrscht das Chaos.
Wenn das lachende Genie dann aber seine Papiere nicht wiederfindet, ist es mit dem Schmunzeln vorbei. Nach einigen Stunden zwecklosen Suchens fragt man sich dann, ob es nicht doch effektiver wäre, Ordnung zu halten. Studien haben gezeigt: Der Aufwand lohnt sich. Wer den Überblick behält, spart Zeit und Geld. Große Firmen leisten sich spezialisierte Berater, die ihre Büros aufräumen und professionelle Ordnungssysteme etablieren. Aus gutem Grund. Denn eine aufgeräumte Umgebung bietet neben der Zeitersparnis noch weitere Vorteile:
- Sie konzentrieren Ihre Aufmerksamkeit auf das Wesentliche.
- Sie vergeuden keine Energie mit Suchen.
- Sie haben das Gefühl, Herr Ihrer Umgebung zu sein, die Dinge im Griff zu haben.
Manche Leute sind vom Charakter her ordentlich. Sie können gar nicht anders, als sofort aufzuräumen, was am falschen Ort herumliegt. Sie haben in der Kindheit gelernt, sich über jedes Ding zu ärgern, das sich nicht an seinem vorgesehenen Platz befindet. Wenn Sie aber eher zu den spontanen und chaotischen Leuten gehören, die alle Sachen, die sie gerade nicht benutzen, fallen lassen und vergessen, brauchen Sie Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist nicht schwer und auch nicht aufwendig. Wenige Minuten am Tag genügen. Das Entscheidende ist, sich beim Umgang mit seinen Sachen einige kleine Rituale anzugewöhnen. Also nachzuholen, was Ordnungsfanatiker schon als Kind verinnerlicht haben. So gehen Sie vor:
Wenn das Chaos bereits Ihre Wohnung überflutet hat, nehmen Sie sich ein Wochenende lang Zeit, um zunächst eine Bresche in die Unordnung zu schlagen. Überlegen Sie sich zunächst, wie Ihr idealer, geordneter Haushalt aussehen sollte. Welche Möbel mit wie viel Platz stehen zur Verfügung? Wahrscheinlich weniger, als Sie Sachen haben? Wieviel Prozent müssten Sie ausrangieren, um alles unterzukriegen – nach bestimmten Kriterien geordnet und mit 10 bis 20 Prozent Platzreserve für Neuanschaffungen?
Erst nach diesen Überlegungen legen Sie los. Experten haben verschiedene Systeme entworfen für solche Aufräumaktionen. Wir schlagen Ihnen folgendes einfache Vorgehen vor:
- Bilden Sie drei Haufen: Aufheben – Wegwerfen – Weiß noch nicht.
- Fangen Sie mit den Dingen an, die auf dem Boden, auf Schränken, Tischen und Stühlen herumliegen. Alles, was Sie länger als einen Tag ablegen, sollte am Ende von diesen offenen Oberflächen verschwinden.
- Gehen Sie dann die Schub- und Schrankfächer der Reihe nach durch.
- Haben Sie ein Sammelgebiet – Kleidung, Schuhe, Bücher, Papiere usw. – abgeschlossen, ordnen Sie das Übriggebliebene nach Ihrem vorher überlegten Ordnungsprinzip ein. Benutzen Sie Schachteln, Aktenordner, Mappen usw. die Sie gleich beschriften. Für den „Weiß-noch-nicht“-Haufen wählen Sie (vorläufig) ein eigenes Fach mit dem Ziel, über sein Schicksal im Anschluß zu entscheiden.
- Dann nehmen Sie sich das nächsten Gebiet vor.
Wenn der Haufen „Aufheben“ sehr viel größer als der Haufen „Wegwerfen“ geworden ist, haben Sie eine wichtige Ursache für Ihr Chaos schon gefunden. Sie leiden am Hamster-Syndrom. Sie können sich von nichts trennen. Ihre Besitztümer geben Ihnen eine Art seelisches Heimatgefühl. Denken Sie um! Überlegen Sie Folgendes:
Sie wollen z. B. ein altes Kleidungsstück aufheben, weil es mal wieder im Mode kommen könnte? Ein Kleid, das Sie zehn Jahre unbenutzt im Schrank hängen lassen, kostet Sie zehn Jahre lang anteilige Wohnungsmiete. Sicher, es sind nur Pfennigbeträge, aber über Jahre kommt soviel zusammen, daß Sie sich von dem Geld auch ein neues Kleid hätte kaufen können. Wichtiger ist aber, daß es Ihnen Platz weg nimmt, daß Sie es hin- und herräumen, pflegen und dafür Schränke kaufen müssen. Besäßen Sie all den Kram nicht, würden Sie nicht jedes Mal vom schlechten Gewissen geplagt, wenn Sie sich ein neues Kleid kaufen: „Was hab ich getan? Ich hab doch schon 25 Kleider!“
Daher werfen Sie bitte alles weg, was
- Sie seit einem Jahr nicht mehr benutzt haben. Ausnahme könnte der eine oder andere sentimentale Gegenstand sein. Wenn Sie aber mehr als jedes zehnte unbenutzte Objekt dazu zählen, sind Sie Opfer des Hamster-Syndroms.
- Ihnen nicht mehr paßt, aus der Mode gekommen ist – und was Sie wahrscheinlich nie wieder benutzen werden. Dazu gehören Romane, die Sie gelesen und dann in irgendeinem Regal endgelagert haben. Selbst wenn Sie plötzlich die Lust überkommt, einen dieser Schmöker noch mal zu lesen – Sie können ihn sich wieder beschaffen. Das ist sinnvoller, als für den einen eventuell noch mal zu lesenden Roman zweihundert Bücher aufzuheben. Ebenso zu eng gewordene Kleidung, in die Sie nach der nächsten Diät wieder hineinwachsen wollen. Wenn Sie es wirklich schaffen, eine Kleidergröße abzunehmen – belohnen Sie sich mit einem neuen, modischen Teil.
- Sie wegen anderen Leuten aufheben. Zum Beispiel Geschenke, die Sie nicht wegwerfen, um Ihre Mutter nicht zu beleidigen. Oder Bücherwände, um auf andere den Eindruck eines belesenen Intellektuellen zu machen. Oder Vasen und andere Schmuckobjekte, mit denen Sie Ihren guten Geschmack demonstrieren wollen. Behalten Sie nichts, an dem Sie nicht selbst jeden Tag Ihr Auge erfreuen.
Aufräumaktion vollendet? Viel Platz und jede Menge Übersicht gewonnen? Jetzt kommt die wichtigere Aufgabe – die neue Ordnung nicht durch den alten Schlendrian ins frühere Chaos zurückfallen zu lassen. Dazu gewöhnen Sie sich an:
- Jeden Gegenstand, den Sie benutzt haben, wieder wegzulegen. Nur, was Sie am selben Tag mehrfach benutzen, lassen Sie draußen.
- Für neue Objekte, die in Ihr Ordnungssystem nicht eingeplant sind, sofort einen Platz planen und schaffen.
- Zweimal in der Woche alle sichtbaren Oberflächen (Fußboden, Schreibtischplatte usw.) durchgehen. Was dort schon länger als 24 Stunden unbenutzt herumliegt, wegräumen.
- Nehmen Sie sich eine Woche nach der Aufräumaktion den Haufen „Weiß noch nicht“ vor. Jetzt haben Sie ein bißchen Abstand gewonnen und können leichter entscheiden, was davon des Aufhebens wert ist. Machen Sie daraus wieder drei Haufen Aufheben, Wegwerfen und Weiß noch nicht. Wenn nötig, wiederholen Sie das Ganze nach einer weiteren Woche – solange, bis die ungewissen Objekte Ihrer Wohnung in einen kleinen Karton passen.
Haben Sie aus beruflichen Gründen oder wegen eines zentralen Hobbys eine größere Sammlung? Von Fachbüchern, Modelleisenbahnen, Kunstobjekten, Schuhen oder ähnlichem? Grenzen Sie Ihre Sammlung von der übrigen Wohnung ab. Extra Zimmer, extra Möbel, extra Katalog – je nachdem. Damit verhindern Sie eine Durchmischung. Die meisten Stunden, die man mit Suchen vergeudet, kommen zustande, weil eine wichtige Urkunde an einen Ort gerutscht ist, wo sie absolut nicht hingehört. Wer schon einmal nach Wochen seine Geburtsurkunde zwischen Yogaanleitungen und seinen Mietvertrag zwischen Kochrezepten wiedergefunden hat, wird von unserem Rat profitieren.
Lesetipp:
Werner Tiki Küstenmacher/Lothar J. Seiwert: Simplify Your Life. Campus Verlag, Frankfurt/M., New York 2002.
Oktober 2003 © by www.berlinx.de
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.