Wie Sie ruhig und wortgewandt auftreten

Das Herz schlägt bis zum Hals, die Nerven liegen blank – Blackout! Keiner Ihrer sorgfältig vorbereiteten Sätze fällt Ihnen mehr ein. Wie Sie bei Lampenfieber mit Erfolg Ihren Auftritt durchstehen, erfahren Sie bei Egonet.

Ob Abschlussprüfung, öffentlicher Vortrag oder erster Auftritt als Sänger: Manche Karriere ist am ersten Tag schon wieder vorbei. Das verwünschte Lampenfieber hat den Auftritt zum Desaster werden lassen. Ruhig und gelassen das Publikum in seinen Bann ziehen – diese Fähigkeit ist oft wichtiger als der Inhalt. Sie haben das sicher selbst schon erlebt. Der eine Redner hat einen brillanten Inhalt zu bieten, klammert sich aber mit monotoner, ängstlicher Stimme ans Manuskript, sodass es eine Qual ist zuzuhören. Ein anderer reiht eine Banalität an die andere, macht das aber dermaßen witzig, dass alle Zuhörer am Ende begeistert sind.

Doch selbst berühmte Schauspieler mit 30 Jahren Bühnenpraxis werden ihr Lampenfieber nicht los. Die Aufregung gehört für sie zu ihrem Beruf dazu. Sie zwingt den Akteur sich zu konzentrieren, jede Ablenkung zu ignorieren und alle Kraft zu sammeln, um dem Publikum das Maximum seiner Fähigkeiten zu bieten.

Sollten Sie an einem Übermaß Lampenfieber leiden – dagegen helfen bewährte Methoden, mit denen schon Generationen von Schauspielern und Rednern ihre Angst in den Griff bekommen haben. Die wirksamsten stellen wir Ihnen vor.

Einstellung. Redeängstliche betrachten Ihre Zuhörer meist als Gegner. Die nur darauf warten, ihn auszulachen. Ob Prüfungskommission oder Vortragssaal – Ihr Publikum ist nicht Ihr Feind. Selbst strenge Prüfer hoffen, dass der Kandidat Sie positiv überrascht. Denken Sie an Ihre eigene Einstellung, wenn Sie Zuhörer eines Vortrags sind. Sie hoffen, interessante Informationen unterhaltsam geboten zu bekommen. Sie haben nicht den Weg und mehrere Stunden Zeit auf sich genommen, bloß um einen fremden Redner zu blamieren. Rufen Sie sich also folgenden Satz ins Gedächtnis, bevor Sie Ihre Bühne betreten: „Diese Leute sind wohlwollend und interessieren sich für das, was ich Ihnen zu sagen habe.“ Falls Sie Zweifel hegen, ob Ihre Gedanken jemanden interessieren werden – klären Sie diese Zweifel vorher, indem Sie ein, zwei gute Freunde um ihre Meinung bitten.

Entspannung. Sie sind perfekt vorbereitet, aber wenn es darauf ankommt, sind Sie so aufgeregt, dass alle Worte wie ausgewischt sind? Wer zur Panik neigt, steigert sich in der Wartezeit vor dem Auftritt regelrecht in Angstzustände hinein. Beugen Sie vor. Blättern Sie in den letzten Minuten nicht mehr im Manuskript, versuchen Sie nicht noch mal alles zu rekapitulieren. Lenken Sie sich ab, am besten mit leichte körperlicher Aktivität. Gehen Sie auf und ab, machen Sie Smalltalk mit einem Kollegen, lösen Sie ein Kreuzworträtsel. Betreten Sie dann Ihr Podium langsam und ruhig. Atmen Sie betont langsam aus. Richten Sie sich zu einer geraden Haltung auf. Schreiten Sie langsam und festen Schritts nach vorn. Schauen Sie mehreren Leuten aus dem Publikum direkt in die Augen, sagen Sie Ihre Begrüßung und lesen Sie dann die ersten zwei Sätze Ihres Vortrags wörtlich ab. So finden Sie schnell in Ihr Thema hinein und werden lockerer.

Gewöhnung. Wer zu starkem Lampenfieber neigt, vermeidet Auftritte, wo er nur kann. Er überlässt es seinen Kollegen, durch Vorträge auf Beratungen zu glänzen, drückt sich vor Firmenpräsentationen – und vermasselt so seine Karriere. Denn wer auftritt, fällt auf. Wer schweigt, gerät in Vergessenheit, mag er sonst auch das fleißigste Bienchen der Abteilung sein. Handeln Sie umgekehrt. Stellen Sie sich Ihrer Angst, und Sie werden ein Wunder erleben. Je öfter Sie Lampenfieber riskieren, desto besser kommen Sie damit klar. Denn die Panik entsteht vor allem, weil die Situation nicht vertraut ist. Gewöhnen Sie sich daher daran, alle Augen auf sich gerichtet zu sehen. Sie werden es erleben – drei, vier Auftritte in relativ kurzen Abständen, und die Angst ist nur noch halb so schlimm. Nach einiger Zeit werden Sie diese Bewährungsproben sogar genießen.

Natürlichkeit. Versuchen Sie nicht einen perfekten Redner zu spielen. Stehen Sie zu Ihrer Angst und zu Ihrer Fehlerhaftigkeit. Das Publikum mag Leute, die Ihre Unvollkommenheit nicht bemänteln. Wenn Sie Ihren Kumpels bei einer Party eine interessante Story erzählen, haben Sie doch auch kein Lampenfieber, oder? Vermeiden Sie daher alles, was zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern einen Abgrund schafft. Wenn Sie Panik spüren, sagen Sie zu den Leuten „Ich bin ziemlich aufgeregt.“ Das wird selbst die strengste Prüfungskommission mit Wohlwollen hören und versuchen, Sie aufzumuntern. Haben Sie den Mut, natürlich zu reden. Suchen Sie nicht nach geschliffenen, druckreifen Formulierungen. Redner, die sich der Umgangssprache bedienen, kommen besser an – das weiß man aus zahlreichen Studien. Wenn Sie ins Stottern geraten oder nicht mehr wissen, wie Sie Ihren Satz zu Ende bringen wollten: Stehen Sie zu Ihrem Missgeschick. Sagen Sie „Da war mein Mund wohl wieder mal schneller als mein Gehirn“ und fangen neu an.

Rhetorische Übungen. Verbessern Sie gezielt Ihre Kompetenz als Redner. Üben Sie, aus dem Stegreif jederzeit fünf Minuten zusammenhängend zu einem beliebigen Thema zu sprechen. Denken Sie sich zum Beispiel in folgende Situationen hinein: Erklären Sie einem Urwaldindianer, was ein Auto ist und wie es funktioniert. Erklären Sie einem Profifußballer, warum er mit Philosophie seine Leistung steigern kann. Erklären Sie einem Mann, warum es besser ist, eine Frau zu sein – und anschließend einer Frau, warum es besser ist, als Mann zu leben. Nehmen Sie diese Kurzvorträge auf Band auf. Urteilen Sie nun als Zuhörer: Was war Ihnen gelungen, was nicht? Zehn solche Übungseinheiten, und Sie werden jederzeit unvorbereitet vor ein Publikum treten können!

Mehr Informationen in unserem dreiteiligen Beitrag über
Rhetorik

Unser Lesetipp:
Paul Herrmann: Bleiben Sie cool! In allen Lebenssituationen gelassen und wortgewandt. (Ariston Verlag, 2000)

Veröffentlicht im Mai 2006 © by www.berlinx.de

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