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Männer und Frauen können einander nicht verstehen, weil er lieber über Fakten, sie lieber über Gefühle spricht. Wenn sie wenigstens ihren Körpersignalen vertrauen könnten! Der Körper lügt nicht – aber ihrer und seiner sprechen unterschiedliche Sprachen. Eine unerschöpfliche Quelle für Missverständnisse.

Ein Winken, ein Lächeln, ein auffordernder Blick – wird diese stumme Sprache nicht auf der ganzen Welt verstanden? Egal, ob Frau oder Mann? Als angeborenes Verständigungs­system kann die Körpersprache Sprach- und Kulturbarrieren überbrücken. Das Reden mit Händen und Füßen schlägt Brücken selbst dann, wenn die Gesprächs­partner kein Wort ihres Gegenüber verstehen.

Dennoch sind Frauen und Männer nicht gleich. Auch nicht in den Ausdrucksformen ihrer Hände und Augen. Einige Unterschiede haben Sie bestimmt schon mal beobachtet:

  • Frauen ziehen einen Pullover aus, indem sie ihre Hände vor dem Bauch überkreuzen und sich das Oberteil von vorn nach oben über den Kopf streifen. Männer greifen mit beiden Armen nach hinten in den Nacken und ziehen das Teil von hinten nach vorn über den Kopf.
  • Frauen gehen in die Hocke, wenn sie einen Gegenstand vom Boden aufheben. Männer bücken sich.
  • Männer drehen beim Vorbei­drängeln einander meist die Vorderseite zu, Frauen die Rückseite.
  • Beim Anziehen einer Jacke beginnen Männer oft mit dem rechten Arm, Frauen mit dem linken.
  • Frauen tragen Gegenstände meist an der Hüfte oder vor dem Bauch, Männer vor der Brust. Ausnahme: Kulturen, in denen Körbe auf dem Kopf balanciert werden

Manche Unterschiede ergeben sich aus der Anatomie – so halten Frauen ihre Arme schon deswegen enger am Körper, weil sie schmalere Schultern haben – andere aus traditionellen Geschlechter­rollen. Oft sind beide miteinander verkoppelt. Werfen Sie einen Blick auf mittelalterlicher Gemälde. Männer tragen ihr Haupt hocherhoben und gerade, die Miene ist unbewegt. Frauen – besonders in der Darstellung der Madonna mit Jesuskind – haben den Kopf zur Seite geneigt und lächeln. Der geneigte Kopf entblößt den Hals, was schon bei vielen Tieren ein Beschwichtigungssignal darstellt. Im Experiment zeigte sich, dass bereits Kleinkinder eher ihr Spielzeug einer erwachsenen Person überlassen, wenn sie den Kopf neigt. Videoaufnahmen von Gesprächen beweisen, dass Frauen häufiger lächeln. Dafür ist das männliche Lächeln ein viel stärker wirksames Signal – eben weil es seltener und darum wertvoller ist.

Alice Schwarzer behauptete einst, zwischen Männer und Frauen handle es sich nur um einen kleinen Unterschied. Das mag sein – fest steht, dass wir darauf geeicht sind, gerade diese kleinen Unterschiede besonders wichtig zu nehmen. Das bewies ein Team der Uni Nottingham unter Leitung der britischen Psychologen Vicky Bruce und Mike Burton . Sie versteckten die Haare von Frauen und glattrasierten Männern unter neutralen Badekappen. Dann fotografierten sie ihre Gesichter und baten Freiwillige, sie nach dem Geschlecht zu sortieren. Sie benötigten nur 0,6 Sekunden, um sich zu entscheiden. Die Trefferquote lag bei 96 Prozent! Oder anders ausgedrückt: Bei 25 Gesichtern irrten sie sich nur einmal. Dabei kommt es eher vor, dass eine Frau mal für einen Mann gehalten wird als umgekehrt.

Deckt man zusätzlich die Augenpartie durch einen schwarzen Balken ab (wie bei einem Verbrecherfoto), sinkt die Unterscheidungsfähigkeit auf rund 75 Prozent. Der Augenbereich ist verräterisch: Gerade buschige Augenbrauen findet man eher bei Männer, schmale geschwungene Augenbrauen meist bei Frauen. Weitere typische Unterschiede im Gesicht: Männer haben ein großes Untergesicht und oft ein ausgeprägtes Kinn, eine Folge ihres Testosterons. Frauen haben dafür eher eine hohe Stirn und volle Lippen durch die Einwirkung von Östrogen.

Ähnliches gilt für den Gang. Männer sind an effektiven Dauerlauf angepasst. Bei Frauen stellt der Gang einen Kompromiss dar. Einerseits soll sie gut laufen können, andererseits muss ihr Becken eine gesunde Geburt ermöglichen. Befestigt man vier bis fünf Lichtpunkte an der Seite der Beine – verteilt von den Füßen bis zur Hüfte – und lässt die Personen dann im Dunkeln laufen, erkennen wir allein am Bewegungsmuster der Lichtpunkte genau, ob da ein Mann oder eine Frau vorbei geht.

Typische Gesten und Körperhaltungen sorgen dafür, dass wir Frauen und Männer schon von weitem unterscheiden können. Sie dienen aber nicht nur als Wiedererkennungssignal. Wie wirken auch auf die Psyche. Das bedeutet, Männer und Frauen fühlen sich unterschiedlich, weil sie ihre Körper unterschiedlich bewegen.

Davon können Sie sich im Selbstversuch überzeugen. Nehmen Sie als Frau einmal die typische Haltung eines Mannes ein: Setzen Sie sich breitbeinig hin, lehnen Sie sich weit zurück und strecken Sie Ihre Arme über die ganze Sofabreite zur Seite. Wie fühlen Sie sich? Stark? Oder ungeschützt, alle Blicke auf sich ziehend?

Nehmen Sie als Mann eine weibliche Haltung ein: Stellen Sie Ihre Füße eng nebeneinander auf den Boden, geschlossene Knie leicht zur Seite geneigt. Verschränken Sie die Hände im Schoß. Senken Sie den Blick und neigen Sie den Kopf zur Seite. Zeigen Sie ein beschwichtigendes Lächeln. Wie fühlen Sie sich? Bescheiden, diplomatisch und gefühlvoll? Oder klein und ängstlich?

Mit den veränderten Geschlechterrollen ist die Körpersprache der Frauen selbstbewusster geworden. Doch die Wirkung ist widersprüchlich. Frauen finden es in der Regel angenehm, wenn eine Frau eine gerade Kopfhaltung zeigt. Männer finden das weniger sympathisch. Der Grund: Wenn die Körpersprache von den Erwartungen abweicht – also Widersprüche zeigt – reagieren wir mit Misstrauen und Zurückhaltung. Dominanzgesten wie Berührung, Näherrücken, sich größer machen erwartet man eher von Männern. Unterwürfige Signale wie Lächeln, sich klein machen, Raum freigeben eher von Frauen.

Beim Flirten zeigen diese Erwartungen ihre Macht. Eine Frau kann erfolgreich einen Flirt starten, indem Sie einen Mann mit verschämtem Lächeln um Hilfe bittet. Geht sie dagegen mit selbstbewusstem Schritt auf den Fremden zu und sagt „Hey, du gefällst mir, kann ich dich zu einem Glas einladen?“ reagieren die meisten Männer verschreckt. Auch wenn sie bei Befragungen zugeben, dass sie es mögen, wenn mal eine Frau die Initiative ergreift. Doch in der Praxis weckt ihre ungewohnt mutige Körpersprache die Fluchtimpulse des Mannes.

Was sich in Singlebars ändert, ist die Kleidermode. Die Flirtsignale sind trotz aller Emanzipation die alten geblieben. Flirtende Frauen schauen einen Moment länger in die Augen Ihres Gegenüber als sonst, lächeln mit leicht geöffnetem Mund, lockern die Körperhaltung. Männer werfen sich genießerisch in Positur, sie „gockeln“.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren dreiteiligen Beitrag:
Körpersprache (I) Teil A: Wie sie wirkt, was sie verrät, was sie verschweigt
Körpersprache (II) – Was unser Aussehen anderen über uns verrät
Körpersprache (III) – Mimik, Gestik, Blick

April 2004 © by www.berlinx.de

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