Ein bisschen Größenwahn tut jedem gut

Halten Sie sich für cleverer und freundlicher als die meisten Ihrer Zeit­genossen? Die denken genauso – über sich selbst. Egonet über den Sinn des Glaubens an die eigene Über­legenheit.

Lassen Sie Vorschul­kinder zu einem Wettlauf antreten. Bevor es losgeht, fragen Sie jedes Kind: „Wer wird wohl gewinnen?“ Voller Überzeugung erklärt jedes: „Ich! Ich!“

Sobald der Sieger feststeht, schlagen Sie eine Wiederholung des Wettlaufs vor. Fragen Sie wieder, wer wohl gewinnen wird. Und wieder wird jedes Kind behaupten, es selbst werde der Sieger sein. Dieses Experiment können Sie auch ein drittes und viertes Mal wiederholen, die Antwort wird sich nicht ändern. Kleine Kinder können zwischen dem Wunsch zu gewinnen und den realen Sieges­chancen noch nicht unterscheiden.

Schulkinder sind realistischer. Sie wissen, wer in ihrer Klasse der oder die Schnellste ist. Doch ganz geht die Sieger-Illusion der frühen Jahre nie verloren. Fragen Sie Erwachsene, wie gut sie Auto­fahren können. Über achtzig Prozent halten sich selbst für einen überdurch­schnittlich guten Fahrer.

Rein rechnerisch kann das nur für knapp die Hälfte stimmen. Aber auch wenn es um Liebens­würdigkeit, Schlauheit oder den guten Geschmack in Haartracht und Kleidung geht – die überwiegende Mehrheit befindet sich laut eigener Meinung auf der Gewinnerseite.

Und das ist gut so. Der Hang zum Größenwahn macht uns seelisch robust. Wir lassen uns nicht von jeder Kritik am Boden zerstören. Wer jedoch zu Depression und Selbstzweifel neigt, gehört auch zu der kleinen Minderheit, die die eigenen Potenzen eher realistisch einschätzt.

Japanische Forscher untersuchten jetzt die Hirnareale, in denen unsere Sieger-Illusion verankert ist. Der Hirnbotenstoff Dopamin macht optimistisch. Er sorgt dafür, dass kritische Rückmeldungen über die eigenen Grenzen unsere Vernunft nicht oder nur abgeschwächt erreichen. Damit bleiben wir bereit, Wagnisse einzugehen, Wünsche auszusprechen und Konflikte zu riskieren.

Allerdings bleibt das Risiko, ebenso großartig auf die Nase zu fallen. Deshalb nie den Bogen überspannen! Wie finden Sie die richtige Balance zwischen dem Wunsch nach Über­legenheit und der Gefahr zu scheitern?

Auf Stärken besinnen, Schwächen ignorieren. In einigen Fächern ist tatsächlich jeder von uns der Mehrheit überlegen. Einer ist der perfekte Koch, ein anderer ist beim Schach oder Tennis kaum zu schlagen, ein dritter ist ein Ass in diplomatischem Geschick. Spielen Sie Ihre Stärken aus. Das ist sinnvoller als unbedingt ein guter Heimwerker werden zu wollen, wenn man schon immer zwei linke Hände hatte.

Lösbare Ziele setzen. Wer sich im Fernsehen zu Castinshows meldet, wird mit 99-prozentiger Wahrschein­lichkeit von seinem Glauben an das eigene Spitzen­talent geheilt werden. Den eigenen Freundeskreis mit der Gitarre zu beeindrucken oder auf der nächsten Party die Gäste mit ein paar Zauber­tricks verblüffen, gelingt viel leichter. Wer diese Hürde nimmt, kann immer noch überlegen, ob er seinen Wirkungs­kreis erweitern soll.

Wettbewerb mit sich selbst. Warum müssen wir uns unbedingt an unseren Mitmenschen messen? Solche Siege rufen eher Neid als Bewunderung hervor. Besiegen Sie erst einmal sich selbst. Werden Sie morgen besser als Sie gestern waren. Über sich selbst hinaus­wachsen ist der schönste Sieg und Labsal für das eigene Selbstwert­gefühl.

Buchtipp:
Barbara Berckhan: So bin ich unverwundbar. Sechs Strategien, souverän mit Ärger und Kritik umzugehen. Heyne, € 7,95

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veröffentlicht im April 2013 © by www.berlinx.de

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