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Sind wir nackte Affen? In Wahrheit tragen wir ebenso viel Haare am Körper wie Pavian & Co. Nur sind sie bei uns dünn und winzig, daher wirken wir scheinbar nackt. Nicht nackt genug – oder weshalb kämpfen wir mit Klingen und Wachs gegen unser Rest-Fell?

Warum hat der Mensch das dicke Fell seiner Vorfahren eingebüßt? Diese Frage scheint noch immer rätselhaft. Die übliche Erklärung – Fellverlust wegen der tropischen Hitze – ist falsch. Denn auch unsere behaarten Vorfahren lebten in den Tropen. Dort kann es in Regenzeit und Nächten empfindlich kalt werden. Wir besitzen statt Haar anderen eingebauten Kälteschutz: Unsere Haut kann mehr isolierendes Fett einlagern als Gorillas und Schimpansen.

Andere behaupten, das Leben als rennender Urzeitjäger sei schuld. Mit Fell wären unsere Vorfahren am Hitzeschock zugrunde gegangen. Doch wieder gibt es zahlreichen Tierarten, die kilometerweit rennen und nicht auf ihr Fell verzichten, zum Beispiel Pferde und Antilopen. Den entscheidenden Hinweis fand Darwin: Weltweit sind weibliche Tiere weniger behaart als männliche. Bei den Affen sind sexuell wichtige Körperteile haarfrei, etwas das weibliche Hinterteil. Der Trend zur Nacktheit begann, als die Urmenschen anfingen, unter allen Partnern die zu bevorzugen, bei denen nur wenig Fell die Körperformen verbarg.

Wäre Hitze die Ursache, müssten wir gänzlich nackt sein. Statt dessen hat das Haar an bestimmten Stellen sogar zugenommen. Wir sind das einzige Tier, das auf dem Kopf Haare ohne genetischen Wachstumsstopp trägt. Nur Krankheit, Alter oder Nährstoffmangel setzen der unbegrenzten Verlängerung Grenzen. Erotische Signale setzen oft Kontraste – denken Sie etwa an schlanke Taille plus dicke Brüste (bzw. breite Schultern bei Männern). Ähnliches gilt auch für das Haar: Weniger am Körper, dafür mehr an anderen Stellen.

Auf dem Kopf dient es als individueller Schmuck. Es signalisiert das sexuell aktive Alter. Denn die Qualität des Kopfhaares wird von den Geschlechtshormonen beeinflusst. Nicht nur beim Mann wird es im Alter ausgedünnt oder geht ganz verloren. Bei vielen Frauen wächst das Haar in der Schwangerschaft besonders dicht und voll. Ab Mitte 20 dünnt es bei allen Menschen aus. Die männliche Altersglatze entsteht durch eine erbliche bedingte Überempfindlichkeit der Haarwurzeln für Testosteron. Doch bis zum 45. Lebensjahr leiden mehr Frauen als Männer unter Haarverlust. Eine Reihe von Schilddrüsen-, Leber- und Nierenschäden können daran schuld sein, aber auch Lungen­entzündungen und andere Infekte, Pilz- und Parasitenbefall und sogar Medikamente, zum Beispiel Blutdrucksenker und Vitamin-A-Säure, die gegen Akne zum Einsatz gelangt.

Ein erotisches Kontrastsignal ist auch der männliche Bartwuchs. Nur Männer mit kräftigem Haarwuchs am Kinn galten einst als stark und weise. Für Frauen damals ein erwünschtes Signal von männlicher Reife und Erfahrung. Erst nach der Pubertät wächst der Bart dicht und dunkel. Während sich das Kopfhaar der Männer im Alter lichtet, sprießt der Bart stärker. Noch im 19. Jahrhundert kennzeichneten prächtigen Vollbärte den arrivierten Herrn. Das zeigen Porträts von Karl Marx, Jules Verne oder Turnvater Jahn. Unter den Bedingungen des heutigen Jugendkults sind glatt rasierte Jünglinge gefragt. Doch umgekehrt genügt noch immer ein dunkler Flaum auf der Oberlippe einer Frau, um ihre weibliche Ausstrahlung nachhaltig zu beschädigen.

Auch das Scham- und Achselhaar überlebte den urzeitlichen Trend zur Nacktheit. Es hat zwei Aufgaben. Zum einen zeigt es die Geschlechtsreife und das Ende der Kindheit an. Zum andern befindet es sich in versteckten Körperregionen, in denen sich Sexualduftstoffe sammeln. Die Haare halten den Duft fest, indem sie den Geruchsmolekülen eine zusätzliche haftende Oberfläche bieten. Erst mit der Erfindung der Parfüms kam die Sitte auf, diese Körperbereiche zu rasieren und mit künstlichen Aromen zu umgeben. Der Umgang mit den Intimhaaren folgt ebenso der Mode wie die Haare auf dem Kopf. Das zeigt ein kleiner historischer Rückblick.

Die Frauen der ersten Kulturvölker – Ägypter, Griechen und Römer – fingen an Beine und Intimbereich zu rasieren. Die Männer stutzten Achsel- und Barthaar. Der Grund? Man wollte sich damit von den Barbarenvölkern ringsumher abgrenzen. Was beim Adel erwünscht war, blieb den meisten Sklaven verboten (Ausnahme: Hetären und Haussklaven). Doch die Barbarenvölker lernten dazu, wollten zum Teil sogar römischer sein als die Römer. Die Männer und Frauen der Kelten zum Beispiel schoren sich zeitweise vom Hals an abwärts völlig glatt. Dass haarlose Glätte als kulturvoll galt, kann man noch heute an antiken Statuen bewundern.

Nach der Antike übernahm der Orient die Sitte der Enthaarung. Hier spielte neben dem kulturellen Status auch die Hygiene eine Rolle. Wo kein Haar war, war auch kein Raum für Läuse und Bakterien. Wer sich der Enthaarung unterzog, durfte damals nicht zimperlich sein. In der Antike kamen scharfkantige Muscheln aber auch Lampen zum Abbrennen des Wildwuchses zum Einsatz. Die ersten „Wachs“-sorten enthielten Pech und Harz, im Mittelalter kamen auch Ätzkalk und Quecksilber zum Einsatz.

Mitte des 16. Jahrhunderts rebellierte Katharina von Medici gegen den Enthaarungszwang. Bis zum 18. Jahrhundert kam nicht nur das Baden und Waschen aus der Mode, sondern auch das Enthaaren – ein brisant „duftige“ Mischung. Im 19. Jahrhundert wurde die Kleidermode luftiger, legte zuerst die Achselhöhlen und ab etwa 1920 auch die Beine frei. Damit kam auch das Enthaaren dieser Körperpartien wieder in Mode. Mit den 68ern gab es eine kurze Rückkehr zum ungehinderten Wachstum als Zeichen der Emanzipation. Was nun als pervers galt, ist inzwischen Mainstream: Spätestens seit den 90er Jahren setzt sich der Enthaarungstrend auf breiter Front durch.

Ursache ist einmal die Kleidung. Der Bikini mit Stringtanger verlangt nach Stutzen der Intimbehaarung. Wichtiger noch aber ist der Jugendwahn. Haarlose Glätte ist ein Zeichen für vorpubertäre Unschuld. An FKK-Stränden kann man auch ältere Damen entdecken, die außer auf dem Kopf nirgendwo mehr ein Haar tragen. Es ist nicht sicher, ob die Mode damit ihren Endpunkt erreicht hat. Schönheitschirurgen berichten zunehmen von Wünschen nach Verkleinern oder Vergrößern der Schamlippen und Fettabsaugungen am tiefsten Ende des Unterleibs. Und das in einer Zeit, wo die Zahl der sexuelle Abstinenten noch nie so hoch war wie heute!

Die wichtigsten Enthaarungsmethoden der Gegenwart:

Rasieren: am einfachsten, hält aber höchstens bis zu drei Tagen.

Epilieren: Mit rotierenden Minipinzetten werden Haare an der Wurzel entfernt. Kann ziepen, hält dafür 2-4 Wochen.

Wachs: warmer oder kalter Wachs aufgetragen, darüber werden Plastik- oder Stoffstreifen angedrückt. Kurzer Schmerz bei Abziehen, dafür hält der Effekt ebenfalls 2-4 Wochen

Cremes: enthält Thioglykolsäure, die die Haare auflöst. Hält bis 7 Tage. Kann die Haut reizen.

Laser: Lichtblitze zerstören die Haarwurzeln. Mehrere Termine nötig. Kosten einige hundert Euro, hält dafür 1-2 Jahre. Bester Effekt bei dunklen Haaren und heller Haut. Gefahr von Narbenbildung. Daher nur von Fachdermatologen durchführen lassen!

Unsere Lesetipps:
Frank Naumann: Schöne Menschen haben mehr vom Leben. Die geheime Macht der Attraktivität. S. Fischer Taschenbuch.
Daniela und Klaus Mayr: Kulturgeschichte der menschlichen Haarpracht.

Veröffentlicht im August 2007 © by www.berlinx.de

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