Was im Kopf drin ist, ist wichtig, nicht was man oben drauf sieht? Von wegen! Kündigt eine Frauenzeitschrift 50 neue Frisuren an, steigert das ihre Auflage. Ein neuer IQ-Test hat diese Wirkung nicht. Aber auch dem Mann sind seine Haare heilig, wie neue Studien zeigen.
Haare sind ein totes Ausscheidungsprodukt der Haut. Ob dünn oder dick, hell oder dunkel – ihre Beschaffenheit ist angeboren. Um so erstaunlicher, daß wir keinen Moment zögern, aus den Haaren fremder Personen Rückschlüsse auf ihren Charakter zu ziehen. Reinhold Bergler und Tanja Hoff stellten in ihrer 2001 erschienenen Studie über die Wirkung von Haaren fest: Frauen glauben am Haar zu erkennen, ob jemand kontaktfreudig, angepaßt oder frech ist und über wie viel Mode- und Gesundheitsbewußtsein sie verfügt.
Und Männer? Sie nehmen Haare noch wichtiger. Anhand des Kopfschmuckes wollen sie sogar erkennen, ob ihr Gegenüber streitsüchtig, verträglich, intelligent, leistungs- oder genußorientiert, konservativ oder progressiv ist. Kein Wunder – für den ersten Eindruck zählt nicht so sehr die Beschaffenheit des Haars, sondern die Art und Weise, wie es getragen wird. Und selbst wer sich aus praktischen Gründen für eine Allerweltsfrisur entscheidet, verrät damit etwas über sich selbst. Er oder sie will nicht auffallen und legt wenig Wert auf Äußerlichkeiten.
Langhaarige Blondinen wissen aus eigener Erfahrung, welch großen Wert Männer auf Haare legen. Der Neid derer, denen dieses Signalmerkmal fehlt, beweisen die vielen Blondinenwitze. Natürliches Blond entsteht nur, wenn von beiden Eltern das entsprechende Gen in Aktion tritt. Das ist mit der zunehmenden Durchmischung der Bevölkerung immer weniger der Fall. Die Zahl der Naturblonden nimmt ab. Blond erweckt Aufmerksamkeit, weil es selten ist. Das konnte Thomas Thelen von der Central Washington University beweisen. Er kehrte in einer Versuchsserie das übliche Verhältnis um und mischte unter Fotos von fünf Blondinen eine Brünette. In diesem Fall bevorzugten die Männer die Brünette. In der Mode erlebten wir kürzlich einen vergleichbaren Wandel. Nachdem die Zahl der künstlichen Blondinen überhand nahm, wurde braunes Haar wieder modern.
Doch selbst ohne Haarfärbetechnik gibt es mehr blonde Frauen als blonde Männer. Der Grund? Für die Farbe sind nicht nur die Farbpigmente entscheidend, sondern auch die Dicke des Haares. Je dicker das Haar, desto dunkler wirkt es. Da Frauen im Mittel dünnere Haare haben als Männer, wirken sie heller. Unsere Kultur hat diese simplen Fakten im Laufe von Jahrhunderten mit viel Symbolik aufgeladen.
- Blond steht für Sauberkeit und (kindliche) Unschuld, aber auch für Kühle und Selbstbeherrschung.
- Schwarz signalisiert Exotik, Leidenschaft und Geheimnis, aber auch dunkle, böse Mächte.
- Rot war nicht nur die Farbe der Hexen. Weil es an Blut erinnert, steht es für launenhafte Temperamentausbrüche, Unbändigkeit und Aggressivität.
Zahlreiche Untersuchungen belegen, wie diese Vor-Urteile den ersten Eindruck bestimmen. Einem 21jährigen Model verpaßten Forscher verschiedenen Haarfarben. 120 Versuchspersonen sollten sie beurteilen. Als Blondine hielt man sie für aufrichtig, aber auch begriffsstutzig und wenig selbstbewußt. Mit braunen Haaren wirkte sie scheu und fleißig. Sobald sie ihre Haarfarbe in Rot änderte, wirkte sie angriffslustig und unzuverlässig.
Und Männerhaare? Wer glaubt, daß dem Mann egal ist, was auf seinem Kopf geschieht, irrt. Der Forscher Bernd Tischer hat Erfolgschancen von Männern anhand ihrer Haarpracht untersucht und festgestellt, daß sie Haarausfall zu Recht fürchten. Ein kahler Schädel senkt seine Attraktivität für Frauen auf ein Sechstel. Hat er männlich-markante Gesichtszüge, kann er auch mit Glatze kompetent wirken. Doch mit Haaren wäre seine positive Wirkung noch stärker. Kahle Männer haben nur einen Pluspunkt bei Frauen: Sie gelten als die besseren Familienväter. Wahrscheinlich aber nur, weil die Frau ihn für treu hält. Denn mit Glatze sinken seine Chancen bei ihren Rivalinnen.
Aber auch volles Haar des Mannes wirkt unterschiedlich – je nach Frisur. Marianne LaFrance von der amerikanischen Yale-Universität hat das getestet. Langhaarige – in den 70ern absolutes Muß – fallen heute durch. Betrachter unterstellen ihnen schlechtes Benehmen und Mangel an Geld, Intelligenz und Kontakten. Am besten kam halblanges Haar mit Scheitel weg. Die Versuchspersonen bescheinigten Trägern solcher Frisuren Wohlstand und Intelligenz. Auch Kurzhaarfrisuren mit Strähnchen bringen Pluspunkte: kreativ und unkonventionell.
Die Forscherin untersuchte auch die Wirkung von Frauenfrisuren. Wen wundert’s – lange blonde Haare kamen am besten weg. Erotisch, wohlerzogen, wohlhabend, aber auch egozentrisch, lauteten hier die Beurteilungen. Bei Frauen steht der kurzhaarige Strähnchenlook für Intelligenz und Selbstsicherheit, strahlt aber kaum Erotik aus. Halblange brünette Haare verraten Sorglosigkeit und ein unkompliziertes Wesen. Lange dunkle Locken kamen am schlechtesten weg. Unter solchen Köpfen vermuteten die Versuchspersonen wenig Intelligenz und wenig Selbstsicherheit.
Bevor Sie aber aufgrund dieser Ergebnisse Ihrer Haarpracht zu Leibe rücken: Diese Forschungen haben die Wechselwirkung der Haare mit anderen Merkmalen wie Gesichtsform und Kleidung ausgespart. Wichtiger als alles andere ist, daß die Frisur zur Gesamterscheinung paßt. Daß Sie wie aus einem Guß wirken. Selbst die verführerischste blonde Mähne törnt ab, wenn ein verklemmter Kleidungsstil dem erotischen Signal vom Scheitel widerspricht.
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Die Haarfarbe Mehr als eine bloße Äußerlichkeit
Oktober 2003 © by www.berlinx.de
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