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Die Psychologie des gewissen Etwas

Warum drehen sich alle Anwesenden nach manchen Menschen sofort um, wenn sie den Raum betreten, während andere ganze Abende übersehen werden? Ist Charisma eine angeborene geheime Kraft, mit etwas gutem Willen zu erlernen oder einfach nur Einbildung?

Das Wort Charisma kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Gnadengabe“. Es galt früher als göttliche Eingebung, die Führungspersönlichkeiten mit einer besonderen magischen Energie ausstattete. So begründeten erfolgreiche Heerführer – wie z.B. Alexander der Große – ihre Erfolge damit, daß die Götter ihnen gnädig seien und ihnen „Charisma“ verliehen.
Die Psychologen haben das Charisma inzwischen entmystifiziert. Traurige aufmuntern, Fleißige loben, Sorgenvolle ablenken und Stille aus der Reserve locken – wem es gelingt, andere wichtig zu nehmen und außerdem noch über sich selbst zu lachen, entwickelt Ausstrahlung. Charisma entsteht aus einer Mischung aus Glauben an sich selbst und selbstsicherem Auftreten. Es verrät vor allem folgende zehn Persönlichkeits-merkmale
1. Werden Sie sich Ihrer Stärken bewußt.. Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und schreiben Sie links Ihre Stärken, rechts Ihre Schwächen auf. Welche Liste ist länger geworden? Falls es die rechte ist, sind Sie übertrieben selbstkritisch und neigen dazu, Ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Wahrscheinlich denken Sie häufiger an Gefahren und Risiken, die Sie vermeiden wollen, statt an die Ziele, die Sie erreichen möchten. Dadurch werden Sie übervorsichtig und wirken schüchtern. Oder sie versuchen die Unsicherheit durch betonte Forschheit zu überspielen, was Ihnen auch wenig Sympathien eintragen dürfte.
Fragen Sie sich lieber: „Was habe ich, was andere nicht haben?“ Die Antwort darauf benennt Ihre Trümpfe. Glatte Haut, schöne Hände, dunkle, ausdrucksvolle Augen, Humor, Gelassenheit, Courage – irgendetwas hat jeder. In depressiven Stunden rufen Sie sich Ihre Stärken in Erinnerung.
Jedesmal, wenn Sie merken, daß Ihre innere Stimme einen negativen Gedanken formuliert („Das schaffe ich nicht.“ – „Mit mir will sich keiner unterhalten.“) formen Sie ihn in einen positiven Satz um („Ich bin kräftig und kompetent.“ – „Ich kann sehr gut zuhören und interessierte Fragen stellen.“)
2. Im Hier und Jetzt leben. Grübeln Sie häufig darüber nach, was Sie in der Vergangenheit hätten anders machen sollen? Denken Sie oft voll Unsicherheit an die Zukunft? Menschen mit Charisma leben gedanklich in der Gegenwart. Die Vergangenheit ist unwiderruflich vorbei, was die Zukunft bringt, wissen Sie erst, wenn sie da ist. Verbauen Sie sich nicht den Genuß am Augenblick! Bemühen Sie sich, an den kleinen Dingen des Alltags Freude zu finden: einem freundlichen Lächeln, netten Worten oder einem überraschenden Anruf. Ein bewährtes Rezept: Denken Sie jeden Morgen nach dem Aufwachen an drei Dinge, auf die Sie sich an diesem Tag freuen.
3. Mut zum Risiko. Sie brauchen nicht vom Zehn-Meter-Brett zu springen oder Hals über Kopf Ihren Job zu kündigen. Aber im Alltag etwas mehr wagen als die übrigen, hebt Sie über den Durchschnitt hinaus. Ziehen Sie nicht den Kopf ein, wenn man Sie kritisiert, sondern nehmen Sie den Fehdehandschuh auf. Bekennen Sie sich offen zu Ihren Ansprüchen. Mucken Sie auf gegenüber rücksichtslosen Zeitgenossen! Versuchen Sie, Ihre Hemmungen zu überwinden, statt sich einzureden, daß ein anständiger Mensch wie Sie gern einen Rückzieher macht. In vielen Fällen werden Sie sich nicht durchsetzen können, aber Sie haben Flagge gezeigt. Überlegen Sie, was Sie beim nächsten Mal anders machen werden und riskieren Sie erneut die Konfrontation. Das beste Mittel gegen Angst ist, genau das zu tun, wovor man Angst hat. Und zwar immer wieder, bis sie vergeht. Überlegen Sie: Was kann Ihnen schlimmstenfalls schon passieren? Selbst wenn man Ihnen vor versammelter Mannschaft den Kopf wäscht oder Sie kalt abblitzen läßt: Davon geht die Welt nicht unter. Nehmen Sie die Blamage mit gefaßter Miene hin, und man wird Sie bewundern.
4. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung. Stehen Sie aufrecht, ohne hängende Schultern. Fühlen Sie, wie Ihr Scheitel Sie zu Decke zieht. Heben Sie Ihre Augen soweit, daß Ihr Blick beim Gehen über der Horizontlinie ruht. Blicken Sie Ihren Gesprächspartnern direkt ins Gesicht. Lassen Sie Ihren Blick wandern, schauen Sie auch mal zur Seite, aber suchen Sie immer wieder die Augen Ihres Gegenüber. Bemühen Sie sich um einen freundlichen Gesichtsausdruck. Zeigen Sie ab und zu ein Lächeln. Wenn Ihnen das schwerfällt: Denken Sie an eine lustige Begebenheit von früher, und Sie lächeln von ganz allein.
Sicheres Auftreten und selbstbewußte Körperhaltung übertragen sich auf Ihr Gemüt und geben Ihnen einen regelrechten Stimmungskick. Sie können das testen. Stellen Sie sich vor einen Spiegel und lächeln Sie Ihr Ebenbild eine Minuten lang an, so gut Sie können. Kein Problem, wenn es wie ein schiefes Grinsen aussieht. Sie werden merken, wie sich allmählich Ihre Laune verbessert.
Wichtig sind Ihre Gesten. Trommeln Sie nicht nervös mit den Fingern und kauen Sie nicht am Kugelschreiber. Wenn Sie die Arme verschränken oder die Beine kreuzen, wirkt das wie eine Barriere. Öffnen Sie die Arme und wenden Sie sich Ihren Gesprächspartnern mit dem ganzen Körper zu. Alle offenen, ruhigen Gesten wirken sympathisch.
5. Seien Sie entscheidungsfreudig. Schieben Sie keine Entschlüsse auf die lange Bank. Entscheiden Sie lieber falsch als gar nicht. Erst die Folgen einer Tat zeigen klar, ob man hätte anders entscheiden sollen. Vor allem, geben Sie klare Signale, ohne sich ein Hintertürchen offen zu lassen. Nichts wirkt männlicher als unzweideutig zu sagen, was man will und was nicht. Sagen Sie nie mehr: „Ich weiß nicht. Sag mir, was ich tun soll.“ Wenn eine Entscheidung falsch war, korrigieren Sie sie sofort mit einer neuen Entscheidung. Unentschiedenheit dagegen lähmt die Lebensfreude. Also schreiben Sie auf, was Sie schon lange erledigen wollten und seit ewigen Zeiten vor sich herschieben. Und dann packen Sie es an.
6. Legen Sie die Opferrollen ab. Fühlen Sie sich benachteiligt wegen ihrer Erziehung, Ihrer Herkunft, Ihres Geschlechtes, Ihres Aussehens, Ihres Geburtsortes? An der Vergangenheit können Sie nichts mehr ändern – übernehmen Sie ab sofort die Verantwortung für Ihre Gegenwart und Zukunft! Überlegen Sie lieber, wie Sie Ihre schlechtere Ausgangsposition kompensieren und in eine Quelle von Erfolgen verwandeln werden. Betrachten Sie Schwierigkeiten nicht als Hemmnis, sondern als Herausforderung, die Sie reizt. Bedenken Sie: Erst wenn Sie die Opferrolle akzeptieren, haben die „Täter“ gegen Sie gewonnen.
7. Begeisterung strahlt auf andere aus. Erinnern Sie sich, wann Sie das letzte Mal von einer Sache oder einer Person regelrecht hingerissen waren? Die Augen beginnen zu leuchten, die Stimme wird lebhaft, die Gesten gewinnen an Kraft. Selbst stille und zurückhaltende Menschen fallen plötzlich auf. In manchen Kreisen gilt es als schick, sich so gleichgültig wie möglich zu geben. Tun Sie das Gegenteil. Überlegen Sie, welche Dinge und Personen Sie mögen. Erzählen Sie andern davon. Sagen Sie ausdrücklich: „Das hat mir gefallen. Das fand ich toll.“ Verzichten Sie darauf, in das in Deutschland übliche Nörgeln und Meckern einzustimmen. Nur wer sich selbst begeistert, kann auch andere begeistern.
8. Entwickeln Sie ein eigenes Profil. Hören Sie auf, all das zu tun, was die Mehrheit tut. Diana Vreeland, legendäre Chefin der Modezeitschrift „Harpers Bazaar“, sagte: „Stil bedeutet, sich selbst zu erfinden.“ Finden Sie heraus, was zu Ihnen paßt. Fragen Sie Ihre Freunde, holen Sie dazu möglichst unterschiedliche Meinungen ein. Nutzen Sie die Tips dieses Buches, um für sich die richtige Mischung aus Originalität und Anpassung herauszufinden.
Wenn Sie meistens lieb und nett sind, verbergen Sie wahrscheinlich Ihre Ecken und Kanten. Wenn Sie sich akzeptieren, wie Sie sind, werden Sie auch diese verborgenen Qualitäten als Teil Ihres Selbst annehmen. Seien Sie einmal unordentlich, faul, sentimental, eiskalt, schrill oder was Sie sich sonst bisher verboten haben. Sie müssen vielleicht am Anfang über Ihren eigenen Schatten springen, aber dann macht es einen Heidenspaß.
 
9. Zeigen Sie Gefühle. Überlegen Sie, welche Empfindungen Sie am liebsten vor andern verbergen, ja sich selbst kaum eingestehen. Meist stecken Erziehungsmaximen dahinter wie: Ein echter Junge heult nicht. Ein Junge kann sich zusammenreißen. Wenn Sie unzufrieden sind, sagen Sie es, statt Ihre Umgebung anzuklagen. Statt „Dieser Idiot!“ sagen Sie „Ich hab mich über ihn geärgert“, statt „Laß mich in Ruhe!“ „Ich fühle mich nicht wohl, ich möchte heute für mich sein“.
Unwiderstehlich wirken Äußerungen über positive Gefühle: „Das finde ich spannend“ oder „Ich finde, das hast du großartig gemacht“.
10. Interessieren Sie sich für andere. Laufen Sie mit offenen Augen durch das Leben. Beobachten Sie Ihre Mitmenschen genau. Stellen Sie Freunden und Fremden Fragen. Beginnen Sie mit der Postfrau und Ihrem Zeitschriftenhändler. Niemand erwartet von Ihnen dauernd tiefsinnige Gespräche. Lernen Sie lieber, genau zuzuhören und durch zustimmendes Nicken und neue Fragen zum Weitererzählen zu ermutigen. Mehr dazu im folgenden Kapitel.
Folgende Unarten zerstören Ihre positive Ausstrahlung:
· sich mit anderen vergleichen und sie beneiden
· etwas tun, nur weil „man“ es tun soll
· versuchen, es jedem recht zu machen und perfekt zu werden
· unrealistischen Zielen nachhängen und auf den glücklichen Zufall warten
· sich selbst bemitleiden, jammern und klagen
· andere Menschen, die Geschichte, die Gesellschaft oder Gott für sein Schicksal verantwortlich machen.
Nun kann aber nicht jeder ein Optimist werden, der stets mit einem sonnigen Gemüt durch das Leben streift. Nicht jeder ist ein wandelndes Energiebündel. Kaum jemand – auch wir Herausgeber von EGONet nicht – vereint alle zehn Eigenschaften in sich. Auch ernste und stille Gemüter können ein gewisses Etwas besitzen. Denken Sie an Dustin Hoffmann. Sie fallen beim ersten flüchtigen Hinsehen weniger auf, beeindrucken aber um so nachhaltiger, je genauer man die betreffende Person kennt. Solche Leute bauen Ihre Ausstrahlung nach und nach auf.
Das sind Ihre wichtigsten Trümpfe:
 
Initiative und Engagement. Die Welt ist voll von Mauerblümchen, die ganz patente Ideen und Vorschläge entwickeln, sie aber nie äußern, weil sie Angst haben, sich zu blamieren. Mit Staunen müssen sie dann feststellen, daß ein anderer mit einer viel banaleren Idee vom Chef gelobt wird oder daß die größten Trottel die hübschesten Mädchen abschleppen. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre Wortmeldung angebracht ist, sagen Sie das ruhig: „Ich bin mir nicht sicher, aber mir kam da gerade der Gedanke, ob man nicht …“ Oder Sie bringen Ihre Idee als Frage ein. „Könnten wir nicht …?“ Aufmerksamkeit erregt auch, wer spontan mal eine Aufgabe übernimmt – klugerweise natürlich eine, die nicht mehrere Wochenenden Überstunden bedeutet. Auch Frauen lassen sich ansprechen, indem man ihnen Hilfe anbietet. Bei all dem gilt es, Gefühl für das rechte Maß zu entwickeln. Wer sich überall einmischt, wird lästig.
 
Vertreten Sie Ihren Standpunkt. Jeder muß erkennen, daß Sie eine eigene Meinung haben, die mehr ist als ein Abklatsch von der Meinung Ihres Chefs oder Ihrer Mutter. Wer Ihren Standpunkt kennt, für den sind Sie als Persönlichkeit von anderen zu unterscheiden. Das bedeutet nicht, daß Sie sich unbedingt durchsetzen müssen. Im Gegenteil, wenn Sie ausdrücklich zugeben, daß die abweichende Meinung anderer überlegenswert ist – ohne daß Sie deshalb von Ihrem Standpunkt abgehen – gewinnen Sie Sympathiepunkte.
 
Souverän auftreten. Das bedeutet innere Gelassenheit. Wenn Sie sich verhaspeln, machen Sie einen Scherz. Wenn man Sie verspottet, lachen Sie mit und loben den Spötter für seine lustigen Einfälle. Werden Sie bei einer Lüge ertappt, geben Sie es sofort zu, ohne sich lange zu rechtfertigen.
Sie erscheinen auf einer Party im unpassenden Outfit und statt eine Ausrede zu suchen, geben Sie Ihren Irrtum zu und fragen den Gastgeber, ob er möchte, daß Sie sich umziehen. Sagt er ja, tun Sie es.
Sie erscheinen zum ersten Rendezvous und merken, als der Kellner die Rechnung bringt, mit Entsetzen, daß Sie die Brieftasche im andern Jackett in Ihrem Kleiderschrank stecken haben. Sie sagen, was los ist, ohne sich ewig zu schämen und bitten Ihre Begleiterin zu zahlen.
Verlieren Sie während einer Rede den Faden, erklären Sie laut und öffentlich, daß Sie den Faden verloren haben und merken erstaunt, wie alle Welt Ihnen mit Zurufen zu helfen versucht. Wenn jemand behauptet, Sie hätten keine Ahnung und zitiert als Beweis die Autorität XY, bedanken Sie sich für die interessante Information und lassen sich die genaue Quelle nennen.
Volkshochschulen bieten Rhetorikkurse und Selbstsicherheitstrainings an.
 
Finden Sie eine Spezialnische. Sie werden es an Souveränität nie mit Ihrem Kollegen A oder B aufnehmen? Keine Panik. Niemand kann in allem besser sein als sie. Suchen Sie sich ein wichtiges Spezialfeld, daß von anderen als nebensächlich oder zu mühselig abgetan wurde, und beweisen Sie dort Ihre Tüchtigkeit. Die erfolgreichsten Geschäftsleute der Welt haben nicht versucht, andere auf einem Feld zu schlagen, wo diese ihnen schon fünfzig Jahre Erfahrung voraus hatten. Sondern sie suchten sich neue Märkte und waren als erste zur Stelle. Bestes Beispiel: Microsoft-Gründer Bill Gates. Von seinem Aufstieg kann jeder lernen, auch im Privatleben. Als Briefmarkensammler werden Sie nur bei Briefmarkensammlern auf Interesse stoßen. Begeistern Sie sich jedoch für irgendein ausgefallenes Hobby, ist Ihnen Aufmerksamkeit gewiß.
 
(Gekürzter, bearbeiteter Auszug aus: René Koch/Frank Naumann: „Mann, bist du schön! Was uns attraktiv, erfolgreich und begehrenswert macht.“ Verlag Gesundheit Berlin 1998. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.)
Veröffentlicht im Juni 1999 © by www.berlinx.de

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