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Frau­en spre­chen 20 000 Wör­ter am Tag, Män­ner nur 7000 – diese Be­haup­tung konnten wir jahre­lang in bunten Illu­strier­ten, aber auch in seriö­sen Sach­bü­chern le­sen. Neue Stu­dien zei­gen: Alles gar nicht wahr!

Sie klönt stundenlang am Telefon mit ihren Freundinnen, während er schweigsam Fußball guckt. Während ihr Mundwerk unentwegt die neuesten Klatschgeschichten über die Leitung schickt, knurrt er nur ein ärgerliches „Schieß doch, du Idiot“ Richtung Bildschirm. Diese Alltagserfahrung galt auch als wissenschaftlich abgesichert. Schon kleine Mädchen gelten als sprachlich überlegen, während Jungs beim räumlichen Denken und in Mathe die Nase vorn haben.

Erst in jüngster Zeit haben kritische Forscher diese Annahme überprüft. Sie fanden Überraschendes. Eine aufwändige Langzeit­studie aus den USA überprüfte die Intelligenz­entwicklung von Kindern. Dabei fanden sich weder bei den sprachlichen Fähigkeiten noch beim Rechnen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen.

Und bei Erwachsenen? Matthias Mehl von der Universität von Arizona hat mit Kollegen folgenden Versuch durchgeführt: Er ließ Studentinnen und Studenten tagelang mit Aufnahme­geräten herumlaufen. Die Auswertung ergab: Im Schnitt sprechen Studentinnen 16.215 Wörter pro Tag, die Männer 15.669 Wörter. Der Geschlechtsunterschied betrug also gerade mal zwei Prozent.

Eine zweite Studie, durchgeführt an der Universität von Kalifornien, verglich die Gesprächssituationen. Wenn sich ein Mann mit einer Frau trifft, redet er mehr als sie! Der Grund: Männer neigen dazu, den dominanten Part zu übernehmen. Und wer dominant ist, ergreift öfter das Wort. Das können Sie in Dienstberatungen studieren: Am längsten redet der Chef. Aus dem gleichen Grund sind Männer auch bei Gesprächen mit Fremden redseliger. Da Männer unbewusst sehr auf Hierarchie und Status achten, fechten sie mit Worten um ihre Position. Wer mehr redet – vor allem über sich selbst – ist der Wichtigere.

Frauen sind gegenüber vertrauten Personen gesprächiger –Freundinnen, Kollegen und Kindern. Also dort, wo das Gespräch zur Festigung von sozialen Bindungen dient. Die gesamte Redelänge hängt also vom Kontext ab. Wer sich hauptsächlich im Freundes- und Kollegenkreis bewegt, wird erleben, dass die Frauen häufiger das Wort ergreifen. Überwiegen im Alltag dagegen Kontakte zu Fremden, reden die Männer mehr. Ebenso beim ersten Rendezvous. Da erzählt er stundenlang, was für ein toller Hecht er ist.

Woher kommt dann aber die Annahme, Frauen würden reden und Männer schweigen?

Zum einen untermauern Meinungs­forscher ständig dieses Vorurteil. Erst jüngst ergab wieder eine Umfrage des amerikanischen Gallup-Instituts, Frauen seien redseliger. Solche Umfragen bilden aber nur unsere Überzeugungen und Vorurteile ab. Sie müssen nicht der Wirklichkeit entsprechen.

Zum anderen ist unsere Wahrnehmung einseitig. Eine viel telefonierende Frau fällt auf – zum Beispiel, weil der Mann, der seine Ruhe haben will, sich über das Dauertelefonat beschwert. Wenn dagegen der Chef lange redet, wundert sich niemand. Er ist schließlich der Chef, also hat er das Recht, seine Sicht der Dinge ausführlich darzustellen. Und dass der Mann beim ersten Rendezvous mit seinen Erfolgen prahlt, gilt ebenfalls als normal. Die Frau muss nur gut aussehen, um ihn zu beeindrucken. Er dagegen muss sie mit seinem Einkommen und seinen Karriereaussichten punkten, wenn er bei ihr landen will.

Veröffentlicht im Dezember 2007 © by www.berlinx.de

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