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Ein Paar spaziert durch den Winterwald. Er trägt eine dünne Jacke mit offenem Kragen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Sie hat unter ihrer Daunenjacke noch einen dicken Wollpullover mit Rollkragen an und friert trotzdem. Macht Männern Kälte tatsächlich weniger aus?

Seit einigen Jahren messen Meteorologen nicht nur die reale, sondern auch die „gefühlte“ Temperatur. Dabei stellte sich heraus, dass Männer und Frauen in punkto Wärme nicht dasselbe fühlen. Frauen empfinden die gleiche Außentemperatur etwa zwei Grad kälter als Männer.

Eigentlich ein erstaunlicher Befund. Frauen haben doch die fülligeren Rundungen! Sie besitzen im Schnitt 25 Prozent Fettgewebe, Männer aber nur 15 Prozent. Enten und andere Wasservögel isolieren sich mit Fett gegen das kalte Nass. Warum funktioniert der gleiche Schutz bei uns Menschen nicht?

Fett isoliert zwar, produziert aber keine Wärme. Unsere innere Temperatur von 37 Grad erzeugt der Körper durch Zuckerverbrennung. Sie findet in den Muskeln statt. Die Muskeln machen 40 Prozent der männlichen Körpermasse aus, aber nur 25 Prozent bei den Frauen. Männer erzeugen dadurch mehr Hitze. Der notwendige Brennstoff – der Blutzucker – und die aus ihm erzeugte Wärme gelangen mit den Blutgefäßen in alle Körperregionen. Fettgewebe ist aber von allen Körperregionen am schlechtesten durchblutet. Das Ergebnis: Das Fett bleibt kalt. Muskeln erzeugen dagegen ständig neue Hitze.

Ist es draußen kalt, gibt der Körper Wärme an seine Umgebung ab, und zwar über die Haut. Die geringere Muskelmasse der Frauen liefert nicht genug neue Hitze nach, um den Verlust auszugleichen. Daher frieren sie eher als Männer. Aber warum zuerst an Händen und Füßen?

Dafür ist das Verhältnis von Volumen und Oberfläche verantwortlich. Die Extremitäten nehmen wenig Raum ein, besitzen aber eine verhältnismäßig große Hautoberfläche. Die Folge: Sie geben besonders viel Wärme ab, ihre schmalen Muskeln liefern aber nur wenig nach.

Drei weitere Faktoren vergrößern den Geschlechtsunterschied zusätzlich:

  1. Männerhaut ist rund 20 Prozent dicker und grobporiger. Frauenhaut ist feinfühliger, auch für Temperaturen.
  2. Männer sind abgehärteter. Sie sind mehr Kälte gewöhnt. Laut Statistik bewegen sie sich mehr und halten sich häufiger draußen auf – aus diesem Grund werden sie übrigens auch häufiger als Frauen vom Blitz erschlagen.
  3. Wegen der Mode zeigen Frauen mehr Haut als Männer und tragen dünnere Unterwäsche. Viele Frauen schließen deshalb bei der Kleidung Kompromisse. Sie umhüllen den Hals mit einem dicken Wollschal, lassen aber die Kälte an den Füßen und in der Beckengegend herein.

Dass Männer mehr Muskeln haben, dafür ist das Geschlechtshormon Testosteron verantwortlich. Es verursacht das Muskelwachstum in der Pubertät. Wenn Sportler sich dopen, um Muskeln aufzubauen, benutzen sie fast immer Steroide – das sind Ersatzhormone, die chemisch dem Testosteron ähneln. Der Ausdruck „Männer haben Hitze“ ist also zu Recht doppeldeutig. Das Testosteron versorgt den Mann nicht nur mit aktiver sexueller Lust, sondern auch mit einem zusätzlichen Schub Körperwärme. Ein Trost für alle Leserinnen: Wenn im Sommer das Quecksilber auf tropische Werte klettert, sind die Frauen im Vorteil.

Veröffentlicht im Januar 2006 © by www.berlinx.de

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