Die Kunst, an­ziehend zu wirken

Warum wirken manche Men­schen auf den ersten Blick an­ziehen­der und sym­pathi­scher als andere? Warum finden sie mühe­los Kontakt, werden ange­sprochen und jeder­mann bemüht sich um ihre Zuneigung. Egonet lüftet ihr  Ge­heimnis.

„Sie wissen ja, was Charme ist: eine Art, ein Ja zur Antwort zu erhalten, ohne eine klare Frage gestellt zu haben“, schrieb Albert Camus, der französische Literaturnobelpreisträger. Doch wie entsteht dieser Zauber (was die wörtliche Übersetzung des Wortes Charme ist)? Ist Charme gutes Aussehen? Eine angeborene Gabe? Oder einfach eine geschickte Verhaltensstrategie?

Schönheit kann es erleichtern, charmant zu sein. Aber es gibt kalte Schönheiten und andererseits sympathische Leute, die keinesfalls den Schönheitsidealen entsprechen. Der Zauber entsteht vielmehr durch charmantes Verhalten. Ein Verhalten, das einen menschenfreundlichen Charakter verrät. Als soziale Wesen können wir aus subtilen Signalen erkennen, wer uns freundlich gesinnt ist. Mit wem wir uns angenehm unterhalten können, weil er eine gute Meinung von uns hat. Charme setzt sich aus folgenden Verhaltensweisen zusammen:

Freundliche Geduld: Charmante Menschen lächeln uns immer freundlich an und verlieren nie die Geduld. Mag das Gegenüber noch so nerven. Schlimmstenfalls sagen sie dann: „Sie scheinen ziemlich verärgert zu sein. Ich wünsche Ihnen, das sich Ihre Lage bald aufhellt.“ Deswegen braucht man bei charmanten Menschen nicht dauernd Angst zu haben, in ein Fettnäpfchen zu treten.

Höflichkeit: Charmante Personen sind berechenbar. Sie kennen nicht unbedingt jede offizielle Höflichkeitsregel. Aber sie haben den Geist guter Manieren verinnerlicht. Sie respektieren ihre Mitmenschen mit all ihren Macken. Sie drängen sich nicht auf, aber sind bereit, wenn jemand ihre Hilfe braucht.

Wohlwollen: Wir Normalsterblichen finden einige Menschen sympathisch, gegen andere empfinden wir eine instinktive Abneigung. Charmeure mögen jedermann. Wenn jemand nicht auf ihrer Wellenlänge liegt, halten sie respektvollen Abstand. Aber sie würden ihn niemals kritisieren oder ihm sagen, wie er ihrer Meinung nach sein sollte. Sie würden niemals versuchen, weniger freundliche Menschen ändern zu wollen.

Wertschätzung: Wenn Sie Ihren Charme spielen lassen wollen, versuchen Sie in Ihrem Gegenüber mindestens eine guten Eigenschaft zu entdecken. Egal, wie abstoßend er sich sonst verhalten mag. Fragen Sie ihn nach den Gründen für diese eine positive Eigenheit. Sagen Sie, wie gut Sie diese Seite an ihm finden. Die übrigen negativen Eigenschaften ignorieren Sie. Statt sie zu kritisieren, übersehen Sie sie einfach.

Sich zurücknehmen: Eigentlich ist es sehr einfach, charmant zu sein. Sie brauchen nur aufzuhören, sich zu produzieren und vorzuführen, was für eine tolle Person Sie sind. Überlassen Sie diese Rolle Ihrem Gegenüber. Lassen Sie ihn von seinen angeblichen Heldentaten berichten. Hören Sie mit freundlicher Miene zu und nicken Sie ab und zu. Er wird Sie als sympathischen Gesprächspartner in Erinnerung behalten, obwohl Sie nichts gesagt haben.

Mit-Gefühl: Wir mögen Leute, die genauso empfinden wie wir. Gleichgesinnte ziehen uns an. Ein Beispiel: Sie kommen eine halbe Stunde zu spät zu einer Verabredung und machen sich auf Ärger gefasst. Doch Ihr charmanter Partner äußert Verständnis: „Bei diesem Wetter! Gestern erst habe ich auch eine Anschlussbahn verpasst.“

Glück ausstrahlen: Wer jammert und klagt, hat keinen Charme. Charmeure sind mit sich und der Welt zufrieden. Sicher, es gibt viele Ungerech­tigkeiten, aber dennoch ist das Leben ein Geschenk und ein wunderbares Abenteuer. Das ist ein wichtiger Teil ihrer Anziehungskraft. Wer hat nicht gern Menschen um sich, die uns aufbauen und an das Gute glauben lassen.

Mehr zu diesem Thema finden Sie von unserem Autor in:
Frank Naumann: Die Kunst der Sympathie. Rowohlt Taschenbuch, € 8,95

veröffentlicht im März 2010 © by www.berlinx.de

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