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Das Geheimrezept in Zeiten chronischen Stellenmangels

In einer losen Folge von Artikeln gibt EGO-Net dieses Jahr Tips für Karriere und Beruf in Krisenzeiten. Zum Auftakt zeigten wir, daß es um „Die Zukunft der Arbeit“ düster bestellt ist und warum die üblichen Rezepte nicht funktionieren. Diesmal beantworten wir die Frage: Wie findet man dennoch einen Job?

Kaum zu glauben! Keine drei Jahre ist es her, seit Wirtschaft und Regierung händeringend nach Computerspezialisten suchten: Inder ins Land! Das Arbeitsamt bezahlte Tausenden Jobsuchern eine Weiterbildung in Internetprogrammierung. Inzwischen bieten die Absolventen der Crashkurse ihre Dienste an – aber niemand will sie mehr haben.

Arbeit ist ein Markt wie jeder andere – er regelt sich nach Angebot und Nachfrage. Beide Seiten befinden sich so gut wie nie in Übereinstimmung. Überwiegt die Nachfrage, stürmen massenhaft neue Anbieter das Terrain, in der Hoffnung, sich eine goldene Nase zu verdienen. Bis das Angebot überwiegt und die Goldgräberstimmung einer schnellen Ernüchterung Platz macht.

Aber auch in der Krise geht die Nachfrage nie auf Null zurück. Selbst wenn es tausend Bewerber gibt: einer wird schließlich das Rennen machen. Was hat der, der den Job bekommt, was die anderen 999 nicht haben? Die besten Zeugnisse? Die meiste Erfahrung? Jugend, Schönheit und gute Manieren? Glück?

Kommt alles vor – den größten Erfolg verspricht jedoch etwas anderes: die aktive Jobsuche. Schauen wir uns dazu die vier Hauptwege an, über die man heutzutage an Arbeit gelangt. Das sind:

Stellenausschreibung. Sie lesen eine Stellenanzeige und bewerben sich. Das ist immer noch der Hauptweg, den fast alle Arbeitssuchenden einschlagen (sofern sie es nicht längst aufgegeben haben). Und auch der erfolgloseste. Es handelt sich um ein Lotteriespiel, bei dem nur Leute mit exzellenten Zeugnissen und Lebensläufen überhaupt eine Chance haben. In der Regel sind das Leute, die noch in Lohn und Brot stehen und ein neues Betätigungsfeld suchen. Die übrigen bewerben sich immer wieder. Arbeitslose gelten fast immer als zweite Wahl.

Blindbewerbung. Das Verfahren ist das gleiche: Bewerbungsschreiben, Zeugnisse, Lebenslauf. Nur warten Sie nicht auf eine Stellenausschreibung, sondern schicken Ihre Bewerbung auf gut Glück als Firmen, die Leute Ihres Profils beschäftigen. In der Hoffnung, daß sie gerade jemanden wie Sie brauchen. Dieser Weg hat einige Vorteile. Sie müssen nicht auf eine Stellenausschreibung warten. Sie müssen nicht gegen Dutzende von Mitbewerbern antreten. Sie zeigen Initiative, was vielen Personalchefs gefällt. Der Nachteil: In Krisenzeiten ist die Zahl der Firmen sehr klein, die bereit sind, noch eine neue Stellen zu besetzen. Sie werden unter Umständen Hunderte von Blindbewerbungen auf die Reise schicken müssen, ehe Sie einmal auf Interesse stoßen.

Aktive Jobsuche. Sie stellen Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern her und signalisieren Ihr Interesse. Erst wenn man im Gegenzug Interesse an Ihnen zeigt, bewerben Sie sich. Dieser Weg bietet gerade in Zeiten der Stagnation gute Chancen, wie wir noch sehen werden.

Selbständigkeit. Sie bewerben sich überhaupt nicht, sondern gründen Ihre eigene Firma. Dieser Weg ist der risikoreichste. Mit ihm beschäftigt sich EGO-Net in einem der nächsten Beiträge.

Was verbirgt sich hinter der Methode der aktiven Jobsuche? Versetzen Sie sich in die Lage eines Arbeitgebers. In der allgemeinen Flaute zögern viele Chefs, sich fremde Leute ins Boot zu holen. Wen man erst einmal fest eingestellt hat, wird man so schnell nicht wieder los. Deswegen ziehen sie es vor, spezielle Arbeiten lieber an andere Firmen weiterzugeben, statt dafür selbst eine Fachkraft einzustellen. Fallen bestimmte Arbeiten immer wieder an, wird das teuer. Aber deswegen gleich eine Stelle ausschreiben? Teure Anzeigen schalten, Hunderte von Bewerbungen ansehen, denen man doch (bis auf einen) eine Absage erteilen muß? Zwanzig Kandidaten auf Firmenkosten zum Vorstellungsgespräch einladen und dann zwischen mehreren gleich guten entscheiden müssen? Immer in der Angst, daß sich dessen Pferdefuß erst zeigt, wenn alles zu spät ist?

Deswegen werden die meisten Jobs heutzutage überhaupt nicht öffentlich ausgeschrieben. Statt dessen fragt der Chef seine Geschäftspartner: „Kannst du mir jemanden empfehlen, der sich verändern möchte?“ Auch Arbeitgeber sind Menschen. Sie vertrauen dem persönlichen Kontakt mehr als formalen Bescheinigungen. Wenn ihr Partner sagt: „Ich kenne da einen, der hat Folgendes prompt für mich erledigt …“, dann erweckt der so empfohlene Kandidat mehr Vertrauen, als die glänzendste Bewerbungsmappe. Sie benötigen also Vitamin „B“. Wie kommen Sie dran?

Kontakte im Vorfeld. Wenn Sie erst Kontakte sammeln, wenn Sie sie brauchen, ist es zu spät. Ob privat oder beruflich – sammeln Sie Bekanntschaften. Auch solche, die Ihnen keinen Job vermitteln können. Manch einer kennt jemanden, der einen kennt … Wenn Sie bereits arbeitslos sind: Lassen Sie sich beim Arbeitsamt eine längere Weiterbildung vermitteln. Oder gehen Sie in die Selbständigkeit und nutzen Sie alle Fördermöglichkeiten für Existenzgründer wie z. B. Übergangsgeld. Selbst wenn Sie als Unternehmer nicht groß herauskommen sollten – sie können als Selbständiger sehr gut neue Kontakte zu anderen Selbständigen anknüpfen. Sie müssen ja keinem verraten, daß Sie nie die Absicht hatten, auf Dauer Unternehmer zu sein.

Smalltalk. Wie Sie die richtigen Leute finden? Besuchen Sie Fachmessen und –tagungen. Wenn sie nicht öffentlich sind, um so besser. Rufen Sie beim Veranstalter an und bekunden Sie Interesse. Man wird Ihnen gern eine Einladung schicken und Sie in den Verteiler aufnehmen. Sprechen Sie dort Leute an. „Ich bin zum ersten Mal hier und interessiere mich für das Thema, weil ich dort beruflich einsteigen möchte. Was machen Sie?“ Halten Sie sich mit Eigenwerbung zurück. Lassen Sie vielmehr Ihren Partner von sich erzählen. Hat er Aufträge zu vergeben? Kennt er Chefs, die Aufträge zu vergeben haben? Tauschen Sie Visitenkarten, die Telefonnummer und Emailadresse enthalten sollten. Unterhalten Sie sich auch über Privates (gemeinsame Interessen), um sich nicht nur als Arbeitstier, sondern auch als Persönlichkeit mit Profil zu präsentieren. (Mehr dazu in unserem Buch „Die Kunst des Smalltalk“.)

Kontaktpflege. Lassen Sie ein paar Tage vergehen. Rufen Sie nach spätestens zwei Wochen an. Erinnern Sie kurz an die Begegnung und sagen Sie dann: „Sie erwähnten damals … ich interessiere mich für … Hätten Sie als Experte in der nächsten Woche ein paar Minuten Zeit, um mir mehr darüber zu erzählen?“ Und schwupp haben Sie ein Vorstellungsgespräch am Bewerbungsmarathon vorbei – ohne daß das Wort „Bewerbung“ überhaupt gefallen ist.

Anbieten mit Eigenwerbung. Sie treffen sich, zeigen Ihr Interesse und hören zu. Sie erwähnen, daß Sie sich beruflich verändern wollen – nicht als Konkurrent Ihres Gesprächspartners, sondern zwecks Kooperation zu gegenseitigem Nutzen. Fragen Sie auch, mit wem aus seiner Branche Sie noch sprechen sollten. So betonen Sie Ihre Eigenständigkeit. Sie dürfen nämlich auf keinen Fall erkennen lassen, wie nötig Sie einen Job brauchen. Wenn Sie am Ende vereinbaren, im Gespräch zu bleiben, haben Sie viel erreicht. Die eigentliche Wirkung erzielt diese Unterhaltung hinterher. Wenn Ihr Gegenüber sich überlegt: „Der ist interessiert und fachkundig. So einer würde bei uns gut ins Team passen. Ehe er uns woanders Konkurrenz macht …“

Zusammenarbeit. Sie haben sich nicht beworben und trotzdem winkt Ihnen ein Job! Wenn man Ihnen keinen Fulltimejob, sondern nur einen Auftrag anbietet: Greifen Sie (nicht zu hastig) zu! Nutzen Sie die Gelegenheit zu zeigen, was in Ihnen steckt. Verhandeln Sie geduldig um die Einzelheiten wie Termin, Vorleistungen und Bezahlung. Verkaufen Sie sich nicht zu billig, um so höher wird man Ihre Qualifikation einschätzen. Und bemühen Sie sich weiter um andere Kontakte. Selbst wenn Ihnen einer den Traumjob anbietet: Pflegen Sie Ihre Verbindungen weiter. Es könnte sein, daß Sie schon bald wieder darauf zurückgreifen müssen.

April 2003 © by www.berlinx.de


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