Nur Augen für die Geliebte haben – ein schönes Ideal. In der Wirklichkeit ist Gleichgültigkeit einer der häufigsten Trennungsgründe geworden. Wie gewinnen wir die Achtsamkeit zurück?
Frisch verliebt! Die Gedanken sind ständig beim anderen. Ich versinke in seinen Augen, wenn er bei mir ist. Ist er abwesend, quält mich die Sehnsucht. Ich kann es kaum erwarten, wieder bei ihm zu sein.
Dieser Zustand hält meist nicht lange an. Schon nach wenigen Wochen lässt das Herzklopfen nach. Zum ersten Mal ertappt man sich bei dem Gedanken: Wie schön wäre es, wenn ich jetzt meine Ruhe hätte! Diese Beruhigung der Herzen hat seine guten Seiten. Wir werden wieder fähig, den normalen Alltag zu bewältigen. Damit wir Beruf, Freunde und unsere persönlichen Interessen nicht völlig vernachlässigen.
Doch wie verhindern wir, dass die Liebe erkaltet? Fehlen die gewohnten Signale der Achtsamkeit, fühlt sich der Partner verunsichert. Zwei Reaktionen sind möglich:
- Er versucht mit verdoppelten Anstrengungen die Verschmelzung der ersten Liebesstunden zurückzugewinnen, er „klammert“.
- Er reagiert seinerseits mit Rückzug, wird ebenfalls gleichgültiger.
Jetzt entscheidet sich, ob die Liebe eine Zukunft hat. Die meisten Beziehungen scheitern nicht an großen Zerwürfnissen, sondern an den Banalitäten des Alltags. „Wir haben uns auseinander gelebt“ war der am häufigsten genannte Trennungsgrund (37 Prozent) in der aktuellen Umfrage einer Partneragentur. Wie gelingt es, die Achtsamkeit zu bewahren – trotz aller Alltagssorgen und -konflikte?
„Achtsamkeit“ kommt von „Beachtung“. Sie speist sich aus der Aufmerksamkeit auf jene Eigenschaften, die den Partner einzigartig machen. Es sind keine spektakulären Aktionen nötig. Kleinigkeiten können Liebe nicht nur zerstören, sondern auch lebendig halten:
- Jeden Tag eine halbe Stunde für den Partner reservieren. Diese Zeit ausschließlich für liebevolle Zuwendung nutzen – also keine Probleme diskutieren oder Konflikte austragen.
- Jede Kritik durch mehrere positive Äußerungen ausgleichen:
„Dein grünes Kleid gefällt mir.“
„Du siehst heute so munter aus.“
„Wie du diese Sache erledigt hast! Danke.“ - Einige Hausarbeiten, kurze Spaziergänge oder Einkäufe gemeinsam erledigen. Wir-Gefühl entsteht nicht nur durch gemeinsame Ansichten, sondern vor allem durch häufiges gemeinsames Tun.
- Sich häufig an gemeinsame Erlebnisse erinnern: „Weißt du noch, wie wir letzte Ostern …“ stärkt das Gefühl, als Paar eine gemeinsame Geschichte zu besitzen. Sie legen den Grundstein für so etwas wie Familientradition – das schafft ein starkes Gefühl der Verbundenheit.
- Für den anderen da sein. Das bedeutet, sich ab und zu an seiner Lieblingsbeschäftigung zu beteiligen. Die eigenen Interessen mal zurückzustellen. Ohne eine pingelige Rechnung von Geben und Nehmen aufzumachen.
Es steckt kein böser Wille dahinter, wenn es Ihr Partner an Achtsamkeit fehlen lässt. Der Trend zum „Multitasking“ ist schuld. Wir haben uns angewöhnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Wir wollen effektiv sein. Wir telefonieren, reden zugleich mit dem Partner, haben den Fernsehen laufen, stopfen das Abendessen in uns rein, und blättern noch in einer Zeitschrift. Auf diese Weise entstehen schnell schlechte Gewohnheiten. Wir verlernen, uns nur auf eine Sache zu konzentrieren.
Es ist nicht leicht, dem Trend zum Multitasking zu widerstehen. Machen Sie den Anfang. Aufmerksames Verhalten – also sich während des Gesprächs mit dem Partner von nichts anderem ablenken lassen – hat einen Spiegeleffekt. Ihr Partner fühlt sich dadurch aufgerufen, ebenfalls seine Ablenkungen liegen zu lassen.
Und wenn das doch nicht klappt? Haben Sie das Gefühl, dass er Ihr Entgegenkommen einseitig ausnutzt? Dann gehen Sie auf Distanz. Verfolgen Sie eine Zeitlang Ihre eigenen Interesse. Fühlt sich der Partner nun seinerseits vernachlässigt, bieten Sie ihm an, sich an Ihrer Freizeit zu beteiligen.
Der Grad an Achtsamkeit signalisiert, ob da zwei Egos in einer Zweckgemeinschaft nebeneinander her leben. Oder ob beide ein „Wir“ bilden. Ungeteilte Aufmerksamkeit wirkt wie ein starker Magnet. Sie erzeugt „Präsenz“. Sie stiftet Begehren und Liebe zwischen zwei Menschen, die sich zufällig irgendwo kennen lernen. Aber sie kann auch ein Paar dauerhaft verbinden. Die dafür nötige Achtsamkeit bedarf jedoch der bewussten Pflege des Füreinanderdaseins.
Veröffentlicht im November 2008 © by www.berlinx.de
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