Welche Überraschungen das Wetter uns noch bringen wird
Vorigen Sommer Jahrhundertflut, diesen Sommer Jahrhunderthitze – gibt es überhaupt keine durchschnittlichen, unauffälligen Wetterlagen mehr? Oder leiden wir nur unter einem kurzen Gedächtnis, weil es schon immer solche Wetterkapriolen gegeben hat?
Seit 144 Jahren gibt es Aufzeichnungen über die Temperaturen auf unserem Globus. Danach war das Jahr 1998 das wärmste Jahr – gefolgt von den Jahren 2001 und 1997. Das laufende Jahr 2003 ist noch nicht berücksichtigt, da es noch nicht zu Ende ist. Allerdings steht bereits amtlich fest, daß der Sommer 2003 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ist. Mit mehr als drei Grad über dem Schnitt der letzten Jahre. Und das ist noch nicht alles. Neun der zehn wärmsten Jahre dieser Zeit verzeichnete die meteorologische Weltorganisation in den letzten zwölf Jahren. Damit ist klar: es gibt zweifelsfrei eine globale Erwärmung. In den letzten 100 Jahren betrug sie 0,6 Grad. Was wenig ist im Vergleich zu den kommenden 100 Jahren. Da erwarten die Klimaforscher eine Erwärmung der Erde um 5,8 Grad.
Noch streiten die Forscher aber über die Ursachen und die Folgen. Lange schienen die Gründe eindeutig: Der Mensch schickt Kohlendioxid in die Atmosphäre. Das sorgt dafür, dass die Sonnenwärme zwar auf die Erde gelangt, aber nur in geringem Maße wieder ins All abgestrahlt werden kann – der Treibhauseffekt. Seit 1750 ist der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre um 31 Prozent gestiegen. Statistiken zeigen jedoch, daß auch kosmische Strahlung die Erde erwärmt. Zunehmende Sonnenaktivität geht mit der Erderwärmung parallel. Die Strahlung aus dem All verringert die Wolkenbildung und sorgt so dafür, daß mehr Wärmestrahlung den Erdboden erreicht. Die Erwärmung hat eine stärkere Verdunstung von Wasser zur Folge. Der Wasserdampf wirkt ebenfalls als Treibhausgas. Die Verminderung des Kohlendioxids wird also den Treibhauseffekt nicht zum Stillstand bringen. Vernünftig wäre es also, der kosmischen Erwärmung entgegenzuwirken, statt sie durch Abgase noch zu verstärken.
Manch einer kann der Erwärmung positive Aspekte abgewinnen. Die Klimazonen verschieben sich Richtung Norden. Warum noch nach Mallorca fliegen, wenn auch an Nord- und Ostsee 30 Grad unter strahlend blauem Himmel zu finden sind? Während Landwirte wegen der Dürre Beihilfen fordern, frohlocken Hotelbesitzer und Winzer. Der einheimische Tourismus floriert, die Weinernte verspricht süße, saftige Trauben. Für Weinkenner ist 2003 schon jetzt ein Jahrhundertjahrgang.
Muß sich die Landwirtschaft lediglich auf Südfrüchte umstellen? Werden an der Ostsee bald Palmen wachsen? Leider haben die Veränderungen auch negative Seiten. Zum Beispiel für die Gesundheit. In Frankreich schätzt man für 2003 etwa 10 000 zusätzliche Todesfälle durch die Hitze. Und in Deutschland? Da sind die Experten noch am Zählen. Und: Es wird nicht bloß wärmer, auch die Extreme nehmen zu. So wie erhitztes Wasser im Kochtopf anfängt zu blubbern, gerät auch eine überhitzte Atmosphäre in Bewegung. Die Folgen sind:
- Extreme Wetterlagen nehmen zu: sintflutartige Regenfälle, Hochwasser, Stürme und starke Temperaturgegensätze werden häufiger. Vor 50 Jahren waren Wassergrundstücke heiß begehrt. Heute sind sie ein Risiko.
- Regionale Wetterunterschiede verstärken sich. Im Westen Deutschlands wächst die Niederschlagsmenge, im Osten nimmt sie ab. Ähnliches ist im globalen Maßstab zu beobachten: Die Tropen werden wärmer, die Arktis schmilzt, auf der Antarktis dagegen sinken die Temperaturen.
- Trockene und heiße Sommer, milde, nasse und stürmische Winter gewinnen an Häufigkeit. Die Vegetationsperiode verlängert sich. In Hamburg beispielsweise blühen die Forsythien heutzutage vier Wochen früher als in den vierziger Jahren. Bleiben harte Winterfröste aus, hat dies auch Nachteile. Der Frost sorgt durch abgestorbene Pflanzen für eine natürliche Bodendüngung. Außerdem hält er tropische Krankheitserreger von uns fern. Schon jetzt tauchen erste Fälle einheimischer Malaria in Süddeutschland auf. Die afrikanische Fiebermücke (Anopheles) saugt Menschenblut zunehmend auch bei uns.
Das Klima erwärmt sich nicht gleichmäßig. Auch in Zukunft wird es wieder kühlere Sommer geben. Wer dann aber hoffen sollte, daß der Sommer 2003 ein einmaliger Ausrutscher war, den werden die kommenden Jahrzehnte wohl eines Schlimmeren belehren.
September 2003 © by www.berlinx.de
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