Wie Sie sich Ihre Entschei­dungs­freiheit bewahren

Ob privat oder im Beruf – bei Konflikten setzen Gesprächs­partner Sie unter Druck, um Sie zum Nach­geben zu zwingen. Egonet verrät, wie Sie sich der Streit­falle entziehen.

Die ersten, die uns in unserem Leben unter Druck setzten, waren unsere Eltern. Um uns zu Gehorsam zu zwingen, sagten sie: „Ein braves Kind macht so etwas nicht.“

Als Kind konnten wir nur mit Trotz reagieren. Als Erwachsene haben wir die Chance, die Strategie unserer Konflikt­gegner zu durchkreuzen. Versuchen Sie nicht, das unfaire Verhalten einfach zu ignorieren. Ihr Gegenüber würde den Druck weiter erhöhen, um Sie zu einer Reaktion zu zwingen. Vereiteln Sie daher zuerst sein Spiel, bevor Sie das Gespräch zur Sache fortsetzen.

Die beste Strategie besteht darin, Zuspit­zungen schon bei den ersten Warn­signalen abzufedern. Wenn Sie merken, dass Ihr Gegenüber in eine Verteidigungs­haltung geht:

  • Nennen Sie noch einmal die Gemeinsamkeiten, die zwischen Ihnen bestehen
  • Sagen Sie, dass Sie froh sind, so einen kompetenten Gesprächs­partner zu haben
  • Erkundigen Sie sich nach seinen Zielen, fragen Sie, was Sie dazu betragen können.
  • Sagen Sie, dass Sie eine Einigung suchen, die Sie beide auf Dauer zufrieden stellt.

Woran Sie erkennen, dass Ihr Gegenüber Sie unter Druck setzt:

Zeitdruck: „Wir müssen bis heute Abend zu einem Ergebnis kommen.“
„Morgen muss ich leider schon in … sein.“
„Unser Angebot gilt nur heute.“

Konkurrenzdruck: „Bei der heutigen Marktlage ist dies der Mindestpreis.“
„Wir verhandeln auch mit drei anderen Firmen. Im Vertrauen, zwei von ihnen haben uns weitaus bessere Konditionen angeboten.“
„Wir haben mit Ihnen gut zusammen gearbeitet und würden gern dabei bleiben. Aber nicht zu Ihrem überhöhten Preis.“
„So günstige Konditionen wie von uns erhalten Sie nirgends. Sie können sich gern umhören, aber bitte wundern Sie sich nicht, wenn wir bis dahin mit jemand anderem abschließen.“
„Kurzfristig mögen Sie bei unserem Wettbewerber günstiger einkaufen, aber denken Sie auch mal langfristig.“

Moralischer Druck: „Meinen Sie nicht auch, dass gute Arbeit eine gute Bezahlung verdient?“
„Und ich habe gedacht, Sie seien an einem fairen Abschluss interessiert!“
„Sie interessiert also nur das Geld, unsere freundschaftliche Zusammenarbeit ist Ihnen egal.“

Beziehungsdruck: „Wir sind doch alte Freunde. Wollen Sie mich wirklich ruinieren?“
„Zwischen uns besteht doch eine feste Vertrauensbasis. Bei uns zählt ein Handschlag mehr als ein formeller Vertrag unter notarieller Aufsicht.“
„Das ist nur ein Missverständnis. Das klären wir unter uns bei einem Bier. Wir werden unser Geld nicht unseren gierigen Anwälten in den Rachen schmeißen.“
„Und ich dachte, als Frau regelten Sie solche Dinge mit weiblicher Beziehungskompetenz.“

Gelingt es nicht, Ärger bei den ersten Anzeichen beizulegen, brauchen Sie eine Entschärfungsstrategie, die Konfrontationen rasch vereitelt. Ohne zu schimpfen oder direkt zu protestieren, zeigen Sie, dass Sie sich nicht unter Druck setzen lassen. Zugleich nutzen Sie den Angriff Ihres Gesprächspartners, um selbst die Oberhand zu gewinnen. Damit können Sie den weiteren Gesprächsstil bestimmen:

Zeitdruck: Wer mehr Zeit und Geduld hat, gewinnt! Gehen auf die Forderung nach rascher Entscheidung nicht ein, sondern betonen Sie im Gegenteil, dass Sie mehr Zeit benötigen:
„Das kann ich nicht übers Knie brechen.“
„Ich brauche einen Tag Bedenkzeit.“
„Wenn Sie keine Zeit für uns haben, ist Ihnen die Zusammenarbeit mit uns wohl nicht wichtig.“
„Wir wollen mit einem verlässlichen Partner abschließen, nicht mit einer Firma, die von einem Tag zum anderen Ihre Konditionen ändert.“

Konkurrenzdruck: Es ist ein beliebtes Spiel, als lachender Dritter Konkurrenten gegeneinander auszuspielen. Entweder ist der angebliche günstigere Konkurrent erfunden. Oder man setzt ihn mit Ihrem Angebot genauso unter Druck. Oder er ist tatsächlich günstiger: dann forschen Sie nach, bevor Sie weiter verhandeln. Und überlegen Sie: Ist der Auftrag wert, sich dafür unter Wert zu verkaufen? Betonen Sie, dass Sie Ihren Wert kennen:
„Unsere Kalkulation lässt nur einen Preisrahmen von … bis … zu.“
„Darf ich Ihnen im Detail erläutern, wie sich unser Preis zusammensetzt?“
„Um welchen Wettbewerber handelt es sich? Was genau bietet er Ihnen an? Haben Sie etwas dagegen, wenn wir zunächst recherchieren, was sein Angebot von meinem unterscheidet?“

Moralischer Druck: Appelle an Ihre Ehre oder Fairness verärgern Sie, dennoch beugen wir uns oft, weil wir nicht als Betrüger dastehen wollen. Die besten Gegenwehr lautet: Fragen Sie Definitionen der ins Spiel Moral ab und kehren Sie so zum neutralen Sachgespräch zurück:
„Was verstehen Sie unter „guter Abschluss“ (bzw. „guter Arbeit“)?
„Was betrachten Sie in unserem konkreten Fall als fair?“
„Sie meinen also, ein Freundschaftspreis bedeute, ich müsse Verluste hinnehmen?“

Beziehungsdruck: Ein guter Freund sollte Ihnen bessere Konditionen bieten – nicht schlechtere! Wer schlechtere bietet, will sich auf Ihre Kosten bereichern. Oder ihm steht das Wasser bis zum Hals. Im letzten Fall braucht er Ihre Hilfe – aber nicht Ihre Bereitschaft, ebenfalls Verluste zu machen:
„Das kränkt mich. Warum betrachten Sie mein Angebot als ruinös?“
„Gerade weil wir uns vertrauen, sollten wir unsere Verträge wasserdicht absichern, damit kein Dritter Misstrauen zwischen uns säen kann.“ (Oder: „Wir vertrauen uns, weil wir unsere Verträge bisher immer wasserdicht abgesichert hatten.“)
„Worin sehen Sie das Missverständnis? Und was erwarten Sie von mir? Können wir das schriftlich festhalten, um neuen Missverständnisse vorzubeugen?“
„Heißt das, weil ich eine Frau bin, wollen Sie mir keine klaren Zusagen geben?“

Buchtipp:
Albert Thiele: Argumentieren unter Stress. Wie man unfaire Angriffe erfolgreich abwehrt. Deutscher Taschenbuch Verlag, € 9,90

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veröffentlicht im September 2011 © by www.berlinx.de

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