Partnersuche per Inserat
Fünf Millionen Partnerschaftsinserate erscheinen jedes Jahr in deutschen Blättern. Trotz neuer Formen, wie Partnerschaftssuche im Internet, ist die klassische Kontaktanzeige immer noch die Nummer Eins in unserer Welt zunehmender Vereinzelung.
Lesen Sie auch gelegentlich die Partnersuchanzeigen Ihrer Zeitungen und Zeitschriften? Oft bekommt man als Leser dort mehr Unterhaltung geboten als in den Beiträgen der Redakteure.Wie ungerecht, daß die anonymen Verfasser für die Veröffentlichung eine Gebühr bezahlen müssen statt für Ihren Erfindungsgeist angemessen honoriert zu werden.Und was da alles versprochen wird! Ist es nicht erstaunlich, wie viele attraktive Frauen und Männer einsam durchs Leben streifen? Freilich wissen wir alle: was die Leute über sich schreiben, ist entweder mehr Wunsch als Wirklichkeit oder einfach erfunden, um überhaupt mögliche Zielpersonen zu einer Antwort zu animieren. Die Männer sind fast alle groß, schlank, in guter beruf-licher Position, treu, kinderlieb und häuslich. Die Frauen sind in der Mehrzahl schlank oder fraulich gebaut, attraktiv oder gar hübsch, optimistisch, temperamentvoll und für jeden Spaß zu haben.Es kommt also zunächst darauf an, den Text richtig zu entschlüsseln. Das scheint gar nicht so einfach zu sein, denn Männer deuten oft falsch, was Frauen schreiben, und umgekehrt. Nicht nur die Schreiber(innen) mogeln ihr Wunschdenken in den Anzeigentext hinein, sondern auch die Leser(innen). Wer die Texte richtig entschlüsseln will, muß sich in den Geist der Verfasser hineinversetzen und ihre beschönigenden Zutaten gedanklich wieder aussondern. Einige Beispiele:„stark und männlich“: Männer, die sich so beschreiben, sind in ihrem Bild von sich und ihrer Männerrolle stark verunsichert. Durch übersteigertes Männlichkeitsgebahren wird die Verletzlichkeit überspielt. Äußerlich kann es sich um jemanden handeln, der regelmäßig an Kraftmaschinen trainiert. Weitaus häufiger steht die Beschreibung jedoch für „übergewichtig und Ganzkörperbehaarung“.„Suche nach schwerer Enttäuschung …“: hat die letzte Beziehung noch nicht verarbeitet. Der nächste Partner wird ständig mit dem Vorgänger verglichen werden. Soll so sein wie der vorige, nur anhänglicher und bereitwilliger, sich ganz auf die Erfüllung der Wünsche der Annoncenschreiber zu konzentrieren. Selbständige Persönlichkeiten sind nicht gefragt.„Kuschelmaus, anhänglich, einfach, häuslich und treu“: langweiliges, unauffälliges Mädchen sucht Versorger.„Angestellter in gehobener Position, treu, schlank, humorvoll und charmant …“ Warum muß ein Typ, für den Tausende von Frauen alles andere stehen und liegen lassen würden, eine Kontaktanzeige aufgeben? Entweder ist die Beschreibung frei erfunden oder es handelt sich um einen Workaholic, der einen Haushaltshilfe sucht.Wenn Sie eine Anzeige richtig deuten wollen, achten Sie auf folgende Punkte:In was für einer Zeitung steht die Annonce? Wie teuer war sie? Kostenlose Kleinanzeigen oder Billiganzeigen unter zehn Mark haben drei Gründe: Armut, Geiz oder am häufigsten: Ich probiere es mal, wenn dabei nichts herauskommt, habe ich nicht viel Geld verloren. Sie treffen dann häufig auf Leute, die gar nicht ernsthaft auf der Suche sind. Viele Billiganzeigen werden aufgegeben, um sich mal einen Spaß zu machen oder um sich zu einem kostenlosen Abendessen einladen zu lassen. Steht die Anzeige dagegen in der „Zeit“ oder einem anderen teuren überregionalen Blatt, sind die Absichten ernst und die Verfasser sind nicht gerade arm, denn dort kann die Annonce mehrere hundert Mark kosten.Verrät die Anzeige Individualität? Je abgedroschener ein Text klingt, desto langweiliger ist der Verfasser. „Zwecks Heirat“, „Freue mich auf deine mutige Zuschrift“, „Stop! Falls Sie noch nie auf eine Anzeige geantwortet haben …“ Alles, was vom Durchschnitt abweicht, jede Formulierung, die aufhorchen läßt, ist dagegen eine genauere Prüfung wert.Formulieren Sie gedanklich positive Textstellen in realistische um. „Bin offen für alles“ oder „bin tolerant“ heißt dann „Suche Verhältnis, das nicht nervt und meine Seitensprünge akzeptiert“. „Treu und häuslich“ heißt dagegen „Stubenhocker, wenig Unternehmungsgeist, keine Ausstrahlung“, oft auch: „Bin von deinem Vorgänger schmählich betrogen worden. Ich war ihm zu langweilig.“Achten Sie auf Angaben zu Musikgeschmack. Musikalische Vorlieben, die den Ihrigen ähneln, zeugen von ähnlichem Empfinden.Zeugen Selbstbeschreibung und geäußerte Wünsche an den Partner von Realistätssinn? Folgender Anzeigentext scheint dagegen eher einer Vorabendserie als dem tatsächlichen Leben entsprungen: Frau, 35/1,70, blond, superschlank & gepflegt, anständig, intelligent, ist aus dem „goldenen Käfig“ entflogen, um endlich glücklich zu werden. Dazu fehlst nur noch du, Mann ab 40/1,85, gebildet, NT, treu, lustig, sportlich, kinderlieb …“Welche Anzeigen lohnen eine Antwort? Und wie beschreibt man sich in fünf Zeilen so, daß auch die passenden Leute antworten? Zunächst gilt es, Erwartungen auf ein realistisches Maß zu bringen – und zwar von beiden Seiten. Nur etwa jede(r) siebte, den oder die Sie aufgrund einer Anzeige treffen, kann tatsächlich als attraktiv bezeichnet werden. Wenn Sie auf Äußerlichkeiten Wert legen, von einer schlanken Blondine oder einem zweiten Sean Connery träumen, probieren Sie es lieber auf einem der anderen Wege. Vor allem gutaussehende Frauen sind per Anzeigen kaum zu finden. Attraktive Männer findet man eher, sofern Sie beruflich stark engagiert oder etwas kontaktscheu sind. Häufig geht bei Ihnen die Karriere vor Partnerschaft. Wenn Sie bereit sind, die neue Bekanntschaft unabhängig vom Aussehen erst einmal auf innere Werte zu prüfen, kann die Anzeige eine sinnvolle Alternative sein. Gute Anzeigen sind witzig, individuell und realistisch. Zum Beispiel: „Männliches Wesen, 39/179, leichte Gebrauchsspuren, sucht die beste von allen (oder die es werden will)“ „Wanderjahre abgeschlossen! Um ein paar Illusionen ärmer und ein paar graue Haare reicher: Mann sucht Frau 42/1,68/ 57kg …“ Fehlt Ihnen der leichte Humor, gibt es eine ebenso erfolgreiche Alternative. Sie beschreiben Ihre Eigenschaften so präzise wie möglich. Also nicht „… mit Interesse für Literatur, Sport und Musik“, sondern „… liebe die Bilder von Cezanne und Romane von Henry Miller, Raymond Chandler und Paul Auster“. Überlegen Sie außerdem, auf welche Angaben Ihr(e) Zukünftige(r) an-springt. Frauen mögen selbstbewußte, humorvolle, interessante Männer, die gut zuhören können. Überlegen, aber keine rück-sichtslosen Machos oder Perfek-tionisten. Männer reagieren auf alle positiven Angaben zum Aussehen wie schlank, gute Figur oder mädchenhaft. Zuviel Selbstbewußtsein oder Forderungen nach absoluter Treue schrecken sie eher ab. Was Sie auch schreiben: Stellen Sie Ihre Stärken heraus, aber bauen Sie kein Phantasiebild, das dem ersten Augenschein nicht stand hält. Frauen erhalten deutlich mehr Antworten auf ihre Anzeigen als Männer. Sie können es sich daher eher leisten, durch Angabe von Erwartungen an den Partner den Kreis der Interessenten von vornherein einzu-schränken. 15 bis 20 Versuche dauert im Durchschnitt, bis die Suche über Anzeigen zu einer längeren Beziehung führt. Und wie weiter? Das erste Treffen in neutraler Umgebung werden Sie in der Regel per Telefon vereinbaren. Wenn Sie aus der Stimme oder dem Gesagten den Eindruck haben, die Anzeige beziehungsweise der Brief versprachen weit mehr, als die Person am Telefon hält – sagen Sie gleich ab und ersparen Sie sich einen sinnlosen Abend. Wenn Sie sich treffen und statt der versprochenen Fee kommt Ihnen Witwe Bolte entgegen (oder statt des stämmigen Hünen ein kleiner dicker Glatzkopf) – bewahren Sie Haltung. Machen Sie nicht einfach kehrt und lassen den oder die Ärmste vergeblich warten. Sie möchten im umgekehrten Fall sicher auch nicht so behandelt werden. Vielleicht stellt sich Ihr Gegenüber wenigstens als nette Plaudertasche heraus, und Sie erfahren interessante Details aus einem anderen Lebenskreis. Wenn Sie keine tiefere Beziehung wünschen, sagen sie es rechtzeitig, ehe sich Ihr Gegenüber Hoffnungen macht und Sie wochenlang mit drängenden Tele-fonaten belästigt. Sollte jedoch mehr dasein, als ein oberflächliches Interesse – sagen Sie, wie toll Sie Ihr Gegenüber finden. Glückwunsch, wenn dieses Kompliment erwidert wird. Dem Medium entsprechend, indem wir uns hier bewegen, zum Abschluß noch ein Satz zu Kontaktbörsen im Internet.Prinzipiell gilt das oben gesagte hier natürlich auch. Allerdings sind die Formen der Präsentation vielfältiger und das Ziel ist seltener ein realer Treff, sondern in der Anonymität liegt der Reiz.Da gibt es erst einmal die unzähligen Chat-Räume, in denen gebaggert und geflirtet wird, was das Zeug hält. Kaum jemand wird dort unter seinem wirklichen Namen auftreten und so mancher Mann hat dort eine heiße Kiste mit einer „Traumfrau“, die im wirklichen Leben vielleicht Helmut heißt, 48 Jahre alt ist, verheiratet und 3 Kinder hat.Dann gibt es unzählige Anbieter, welche kostenlose oder auch kostenpflichtige Kontaktanzeigen in Ihre Websites mit einbauen. Auch hier gibt es weit mehr Spreu als Weizen. Auffällig ist, das insbesondere das „älteste Gewerbe der Welt“ hier eine kostengünstige Präsentationsplattform gesucht und gefunden hat. Da fand ich vor kurzem auf einer Seite für kostenlose Computerzubehör-Anzeigen plötzlich eine eindeutige Annonce „…süße Kuschelmaus mit großer Oberweite aus dem Raum Dresden….“Dann natürlich gibt es Newsgroups, die nur zu diesem Zweck da sind.Es steht natürlich auch jedem frei, eine eigene Website mit sich selbst als Angebot ins WWW zu stellen.
Lesen Sie hierzu den Artikel: Partnersuche per Mausklick
Oktober 1999 © by www.berlinx.de
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