Welches Geschlecht Schmerzen besser ertragen kann
Einerseits heißt es „Indianer kennen keinen Schmerz“. Andererseits sind wehleidige Männer ein beliebtes Ziel von Spott und Häme. Sind Frauen bei Schmerzen wirklich das „stärkere Geschlecht“?
Frauen gelten als stark, wenn es um Schmerzen geht. Um dies nachzufühlen, unterzogen sich zwei Journalisten unterzogen einem Test mit einem Geburtsschmerz-Stimulator. Dieses Gerät kann die Wehen bei einer Geburt simulierten. Die beiden Journalisten krümmten sich vor Schmerzen und einer brach die Geburtssimulation ab. Wie können Frauen nach solch schmerzhaften Erfahrungen bereit sein, noch weitere Kinder in die Welt zu setzen? Sind Männer also schmerzempfindlicher?
Ein anderes Experiment: Lassen Sie einen Mann und eine Frau eine Hand in ein Gefäß voll Eiswasser halten. Messen Sie mit einer Uhr, wie lange beide die Kälte ertragen, bevor der Schmerz unerträglich wird. Dann werden Sie feststellen, dass Männer diesen Schmerz ungefähr ein Drittel länger aushalten. Andere Tests, zum Beispiel Druck auf die Muskeln, bestätigen: Frauen halten weniger aus.
Was stimmt nun? Bislang tut sich die Wissenschaft schwer, eine Erklärung zu finden. Beim Geburtsschmerz wirken seelische Faktoren und Hormone mit. Das Glück, endlich das eigene Kind auf dem Arm zu halten, scheint das weibliche Schmerzgedächtnis zu beeinflussen.
Andere Alltagsschmerzen haben Forscher in sämtlichen Varianten untersucht. Frauen reagieren nicht nur empfindlicher auf Schmerzreize, sie bemerken Reize auch eher als Männer. Die oft gelobte höhere Sensibilität der Frauen gilt auch für die Wahrnehmung von Schmerzen. Meist führen die Forscher diesen Unterschied auf die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen zurück. Allerdings haben sie ihre Ergebnisse vor allem an Mäusen gewonnen. Aber lassen sich diese Ergebnisse wirklich auf Menschen übertragen?
Anders in einer neuen Studie der Berliner Charité: Die Ärzte befragten mehr als 5100 Patienten zu ihren Schmerzen, aber auch zu seelischen Faktoren wie Ängste, Depressionen oder Stress. Auch hier schnitten die Männer besser ab – Frauen berichteten über etwa zehn Prozent höher Schmerzstärke. Erstaunlicherweise war der Unterschied bei den Älteren am größten. Also in einem Alter, indem die Geschlechtshormone nur noch eine geringe Rolle spielen dürften. Möglicherweise hat im höheren Alter die Lebenserfahrung einen größeren Einfluss. Da Frauen empfindlicher sind, haben sie mehr Erfahrungen mit Schmerzen. Sie nehmen sie eher und deutlicher wahr.
Frühere Studien zeigten aber auch: Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Kälte-, Verletzungs- und Druckreize können Männer besser ertragen. Am Schluss berichten wir deshalb von zwei Sonderfällen, die geradezu sprichwörtlich geworden sind, wenn es um die Unterschiede von Frauen und Männern geht:
Wehleidigkeit: Männer gelten als besonders wehleidig bei Husten, Schnupfen und Heiserkeit – sprichwörtlich ein „Männerschnupfen“. Da könnte was dran sein, ergab eine englische Studie. Danach leiden Männer stärker unter Erkältungen, weil Frauen eine andere Immunabwehr besitzen.
Sex: „Heute nicht, ich habe Migräne“. Frauen leiden tatsächlich drei Mal häufiger unter Migräne als Männer. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Bei einem Prozent der Bevölkerung treten Sexualkopfschmerzen auf – und davon sind Männer häufiger betroffen. Während des Sex kommt es plötzlich zu einem Kopfschmerz, der möglicherweise durch Blutdruckerhöhungen ausgelöst wird.
Was haben solche Unterschied zwischen den Geschlechtern zu bedeuten? Hiermit beschäftigt sich die Gendermedizin. Denn inzwischen ist klar, dass manche Therapien bei Frauen viel schlechter wirken als bei Männern – so bei HIV Infektionen oder auch beim Herzinfarkt. Auch die Forscher an der Charité schlussfolgerten, dass Männer und Frauen während einer Operation individuell unterschiedlich behandelt werden sollten.
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