Die kluge Alternative zum Fernseheinerlei

Dreißig Fernsehprogramme, gefüllt mit den ewig gleichen Talkshows, Seifenopern, Ballerserien, Herz-Schmerz-Schwachsinn und Werbung ohne Ende. Eine Alternative ist das Internet. Intelligente Unterhaltung und Information findet sich aber auch im Radio. Einige Tips von EGONet.

In seiner Filmkomödie „Radio Days“ erinnerte Woody Allen wehmütig an die dreißiger Jahre, als nicht das Fernsehen, sondern das Radio den Alltag der Amerikaner begleitete. Das waren noch Zeiten, als Orson Welles den „Krieg der Welten“ als Life-Hörspiel über den Sender schickte und bei tausenden Zuhörern hysterische Panikreaktionen auslösten, weil sie das Ganze für einen Bericht von einer echten Invasion echter Marsianer hielten!
1937 ist lange vorbei, und das Radio ist nur noch Lieferant von Hintergrundmusik beim Kochen oder Heimwerken. Fernsehbilder mögen dank Computeranimation und teurer Stunts noch so echt wirken, niemand glaubt mehr, daß am „Independent Day“ sich Aliens anschicken, unseren Planeten zu zerstören. Wir wissen längst: das schafft der Mensch auch allein, ohne fremde Hilfe aus dem Kosmos.
Das Fernsehen unserer Tage leidet bekanntlich unter einem Niveauverfall, als dessen Ursache Programmacher und Zuschauer den Zwang zur hohen Einschaltquote beklagen. Sendungen, die von unterschiedlichen Zielgruppen – Schülern, Hausfrauen, Rentnern usw. – gleichermaßen gesehen werden, verdrängen Produktionen, die sich an spezifische Zuschauergruppen wenden. Das Ergebnis: dreißig Programme und auf keinem eine Sendung, die interessant ist.
Einige wenige haben entdeckt, daß das Radio eine Alternative bietet. Neben den Musiksendern tummeln sich auf UKW die Kultursender der ARD-Rundfunkanstalten. Ihre Programme sind von vornherein für eine Minderheit gemacht. Ihre Einschaltquote liegt bei zwei bis drei Prozent. Neben klassischer Musik finden Sie dort die ganze Palette des Sprechradios, von Reportagen über Bildung bis zu Lesungen und Theateraufführungen. Vom Inhalt her finden Sie dort, was Sie beim Fernsehen vermissen: tiefergehende Hintergrundinformation und künstlerischen Anspruch.
Selbst wenn Sie am Fernsehen spannende Filme interessieren, bietet das Kulturradio eine Alternative – das Hörspiel. In den fünfziger Jahren versammelten sich noch die Familien abends vor dem Radio, um das neueste Stück von Heinrich Böll oder einem schwierigen Fall von Kommissar Maigret zu lauschen. Heute reagieren die Leute mit Staunen oder Gleichgültigkeit, wenn man ihnen erzählt, daß immer noch Hörspiele produziert und gesendet werden. Eine kleine Schar von Liebhabern kennt die wöchentlichen Sendetermine und hört zu oder nimmt die Stücke auf Kassette auf, um sich beim nächsten Stau damit die Zeit zu vertreiben.
Die Bandbreite im Hörspiel ist groß. Da gibt es Krimis, theater- oder filmähnliche Gegenwartsstücke, aber auch anspruchsvolle akustische Experimente, die Wort und Musik mischen. Sie sind häufig anspruchsvoller als Fernsehfilme. Genaues Zuhören ist erforderlich. Jede ARD-Anstalt produziert jedes Jahr neue Stücke, und zwar sowohl Hörspiele, die eigens für diese Zweck geschrieben werden, als auch akustische Umsetzungen bekannter Romane.
So sind alle sechs Bestsellerkrimis von Donna Leon mit dem venezianischen Commissario Brunetti in einer Hörspielbearbeitung im Funk gesendet worden, Ingrid Nolls Bestseller „Der Hahn ist tot“, die Tagebücher (1933-45) von Viktor Klemperer und „Sophies Welt“ von Jostein Gaarder.
Der Funk besitzt auch seine eigene Krimiserie, bestehend aus 77 Folgen, die um das Jahr 1900 spielen. Die Abenteuer des Professor Dr. Dr. Van Dusen, Amateurkriminologe und Denkmaschine, stets begleitet von seinem treuen Chronisten Hutchinson Hatch, Reporter am „Daily New Yorker“ werden vom Deutschlandradio Berlin ausgestrahlt. Treue Hörer dieser Serie von Autor Michael Koser haben in Berlin sogar einen eigenen Fanclub gegründet.
Wer Literatur von der Hörkassette mag, kann durch das Aufnehmen von Hörspielen sehr preiswert seinem Hobby nachgehen. Viele Hörspiele sind aber auch im Buchhandel auf Audiokassette erhältlich. WDR-Kriminalhörspiele erscheinen im Goldmann Verlag und kosten DM 8,95 oder 12,95. Eine breitere Palette an Funkdramatik veröffentlicht der Hör-Verlag.Um das Kulturradio zu nutzen, benötigen Sie eine Programmzeitschrift, die das Rundfunkprogramm abdruckt. Das tun nur noch wenige; von den bekannteren die „HÖRZU“, die „Funk Uhr“ und die „Fernsehwoche“.
Hörspieltermine aller deutschsprachigen Sender finden Sie unter: http://www.hoerdat.in-berlin.de
Auch der Österreichische und Schweizer Rundfunk und so kleine Sender wie Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk senden Hörspiele. Viele Sender haben auch spezielle Termine für Kinderhörspiele, Dokumentarspiele (Features) und Zeiten, zu denen bekannte Schauspieler aus Romanen in Fortsetzungen lesen.

Juni 1999 © by www.berlinx.de

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