Wie viel Beeinflussung ist erlaubt?

Werbung, Medien, Politik, Chefs, intrigante Kollegen – fast jeder steht unter dem General­verdacht der Manipulation. Doch wo beginnt Manipulation?  Wie funktioniert sie? Wie können wir uns schützen?

Wilde, raue Berge, weite Savannen. Wir sehen Antilopenherden, Löwen, die zum Sprung ansetzen und mittendrin eine geräumige Limousine, die zügig eine leere Straße durchfährt. Die Kamera schwenkt ins Innere des Wagens. Wir sehen einen siegesgewiss lächelnden Fahrer und seine glückliche Familie.

Keine Staus, keine Baustellen, kein müder Fahrer, keine quengelnden Kinder. Kein Wunder, schließlich haben wir es mit einem Werbespot zu tun, der Sie zum Autokauf verführen soll. Bilder von über­füllten Straßen wären realistischer. Die könnten Sie freilich auf den Gedanken bringen, lieber auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Auch das gab es schon als Werbespot. Zuerst sahen Sie eine mit Blech verstellte Autobahn, dann schwenkte die Kamera auf einen flotten Schnellzug. Hier warb die Bundesbahn um Fahrgäste.

Beides klare Fälle von Manipulation. Nicht die Wirklichkeit wurde gezeigt, sondern Träume, die das jeweilige Produkt ins beste Licht rückten. Die Kurzfilme sollen uns im Sinne der Macher beeinflussen, unser Geld in ihre Taschen fließen zu lassen.

Jeder von uns sollte frei entscheiden dürfen. Jeder Druck von außen ist verwerflich. Insbesondere, wenn er als Zwang oder Drohung auftritt. Aber was ist, wenn Supermärkte uns mit Farben und Düften verführen? Wenn Versicherungen an unsere Verlust­ängste appellieren und versprechen, uns dagegen abzusichern?

Manche Fachleute bezeichnen deshalb jede Art von Beein­flussung als Manipulation. Sobald wir mit Menschen in Kontakt treten, beein­flussen wir sie. Und sie beein­flussen uns. Ein freundliches „Guten Morgen, wie geht’s?“ soll die Kollegen uns günstig stimmen. Eine Bitte soll sie dazu bringen, etwas für uns zu tun. Eine Kritik, diplo­matisch formuliert, soll eine Verhaltens­änderung in gewünschter Richtung auslösen.

Wir könnten uns ver­weigern, aber meist drängt die aner­zogene Höflich­keit dazu, die Bitten zu erfüllen. Zur Höflich­keit erzogen uns unsere Eltern. Waren Sie also unsere ersten Manipu­latoren? Manche Pädagogen setzen sich deshalb für eine autoritäts­freie Erziehung ein. Doch auch ihre Resultate sind fragwürdig. Denn in jungen Jahren brauchen Kinder gute Autoritäten, um zu lernen, sich in der kompli­zierten Welt der Erwachsenen zurecht­zufinden.

Deshalb unterscheiden die meisten Menschen zwei Arten der Beein­flussung:

  • Betrügerische Beeinflussung nennen wir Manipulation
  • Beeinflussung zum gegenseitigen Vorteil nennen wir: „den anderen günstig stimmen“.

Mit dem Wort „Manipulation“ fällen wir ein moralisches Urteil. Es kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Hand­habung“. Es war zunächst ein technischer Begriff. Vor hundert Jahren verzeichneten die Lexika unter diesem Stichwort nur den geschickten Gebrauch der Hände. Erst danach übertrug man das Wort auf den geschickten Gebrauch des Geistes, um Menschen trickreich in eine gewünschte Richtung zu lenken.

Manipulation ist also nur jene Beein­flussung, die den anderen unbemerkt zum eigenen Vorteil in eine bestimmte Verhaltens­richtung lenken soll. Die wichtigsten Werkzeuge des Manipulators sind:

  • Intrige. Gerüchte streuen, um die Einstellung von Personen gegenüber Dritten zu beeinflussen.
  • Einseitige Information. Für mich günstige Fakten übertreiben, ungünstige Fakten verschweigen oder verharmlosen.
  • Bedürfnisse wecken. Wir alle träumen von mehr Anerkennung, Lust und Geld, als wir bekommen. Wer manipuliert, tut so, als könne er unerfüllbare Wünsche erfüllen – für eine Gegen­leistung.
  • Unhaltbare Versprechen. Für ein gewünschtes Verhalten das Blaue vom Himmel versprechen und sich hinterher mit unerwarteten Hindernissen entschuldigen, nachdem man die Gegenleistung kassiert hat.
  • Komplimente. Verbale Anerkennung kostet nichts, kann aber viel einbringen. Wer von uns möchte nicht schön, gut, edel, charmant und vorbildlich genannt werden?
  • Emotionen. Wo uns Argumente nicht überzeugen, weil es an Fakten und Logik fehlt, setzen Manipu­latoren Gefühle ein. Wer es versteht, diffuse Ängste zu schüren, braucht sich nicht dem Fakt auseinander­zusetzen, dass eine Geld­ausgabe objektiv überflüssig ist.

 

Es gibt keine scharfe Grenze zwischen Manipulation und freundlicher Verführung. Was dem einen als Betrug erscheint, würde ein anderer noch als geschicktes Heraus­streichen des eigenen Vorteils bezeichnen.

In der Praxis ist es wichtiger, jede Beeinflussung – egal, ob Manipulation oder sanfter Druck – als Beeinflussung zu erkennen. Wir sollten uns immer fragen:

  • Handle ich so, weil ich mich aus eigener Vernunft so entschieden habe?
  • Oder gebe ich dem sanften Druck anderer nach?
  • Welche Motive und Informationen haben mich zu meiner Entscheidung gebracht?

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Manipulative Rhetorik Die dunkle Seite der Redekunst

veröffentlicht im Februar 2015 © by www.berlinx.de

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