„Ich-AG“, eine Erfindung der Hartz-Kommission , wählte eine Jury von Sprachwissenschaftlern 2002 zum Unwort des Jahres. Nur rund tausend Leute (von 4,6 Millionen Arbeitslosen) haben seit dem 1.1.2003 diese neue Förderung in Anspruch genommen. EGO-Net berichtet über die besten Wege in die Selbständigkeit.

Selbständig werden – kein Chef erteilt Anweisungen und alle Einnahmen gehören mir selbst! Kein Wunder, daß viele den Traum von der eigenen Firma hegen. Wer den Sprung wagt, sollte den Begriff „selbst-ständig“ wörtlich nehmen: alles selbst machen und ständig im Einsatz sein.

Doch mit der Ich-AG soll alles ganz einfach sein. Ein Zuschuß des Arbeitsamtes hilft über die Startschwierigkeiten hinweg. Im ersten Jahr gibt es 600 € Förderung pro Monat vom Arbeitsamt, im zweiten Jahr 360 und im dritten Jahr 240 €. Vorausgesetzt, die Einnahmen liegen nicht über 25 000 € im Jahr. Warum nutzen nur wenige Existenzgründer diese Chance?

Der Teufel steckt im Detail. Die Fördersumme, die der Staat mit einer Hand ausgibt, nimmt er mit der anderen Hand wieder ein. Die Sozialabgaben des frisch gebackenen Unternehmers fressen den Zuschuß wieder auf, wie eine kurze Rechnung zeigt. Im Unterschied zu anderen Selbständigen ist der Ich-AGent sozialversicherungspflichtig wie ein Angestellter. Er muß mindestens 232 € Rentenbeiträge im Monat zahlen (neue Bundesländer 195 €). Dazu kommen Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung. Bei einem Monatseinkommen von 1 500 € fallen damit über 420 € (abhängig vom Beitragssatz der Krankenkasse) Abgaben an. Das heißt, von der Förderung bleiben für den Ich-AGenten im ersten Jahr höchstens 80 € zum Leben. In den Folgejahren muß er den größten Teil der Summe selbst verdienen.

Daher entscheiden sich die meisten für das herkömmliche Modell. Der Jungunternehmer erhält für ein halbes Jahr ein Überbrückungsgeld in Höhe der letzten Stütze. Als „normaler“ Selbständiger kann er sich freiwillig nach eigenem Gutdünken versichern.

Wer töpfert, als Journalist vom Schreiben leben will oder sich als Webdesigner etabliert, hat noch eine andere Möglichkeit. Er versichert sich bei der Künstlersozialkasse. Das ist vorteilhafter als jede staatliche Förderung. Man stellt einen Aufnahmeantrag und weist nach, daß man mit künstlerischer Tätigkeit (im weitesten Sinne) Geld verdient. Dann teilt man der Behörde mit, was man im laufenden Jahr voraussichtlich einnehmen wird. Einzige Bedingung: Die Jahreseinnahme muß über der Grenze von 400-Euro-Jobs liegen. Die Künstlersozialkasse zieht die Hälfte der Beiträge für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung von Ihnen ein, zahlt wie ein Arbeitgeber die andere Hälfte der Beiträge und leitet das Ganze an die drei Versicherungen weiter. Wer ein Jahreseinkommen von 12 000 € meldet, zahlt monatlich für alle drei Kassen zusammen nur etwa 180 € im Monat. Und das nicht nur über einen begrenzten Förderzeitraum, sondern solange er dort Mitglied ist.

Am ehesten eignet sich die Ich-AG für Leute, die sich mit selbständigen Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten. Und deren Gesamteinnahmen so groß sind, daß es für die Abgaben und den eigenen Mindestlebensstandard reicht. Andererseits sollten die Gewinne auch nicht zu hoch sein. Bei mehr als 25 000 € im Jahr fällt die Förderung ohnehin weg. Noch besser, wenn Sie unter 17 500 € bleiben. Dann dürfen Sie bei Ihrer nächsten Steuererklärung (für 2003) die Hälfte Ihrer Einnahmen pauschal als Betriebsausgaben absetzen und sind von der Umsatzsteuer befreit – was praktisch bedeutet, daß Sie gar keine Steuern zahlen müssen.

Aber auch hier gibt es einen Wermutstropfen. Erstens befindet sich diese Steuererleichterung noch im Gesetzgebungsverfahren. Es ist noch unklar, ob die Regelung unverwässert zur Anwendung gelangen wird. Zum anderen brauchen Sie nicht Ich-AGent zu werden, um in den Genuß der Steuererleichterungen zu kommen. EGO-Net hat beim Bundeswirtschaftsministerium nachgefragt und erfahren: Alle Kleinunternehmer – auch solche, die schon seit Jahren tätig sind – sollen in den Genuß der Steuererleichterungen kommen.

Also lieber in der sozialen Hängematte verharren? In Krisenzeiten erscheint der Sprung in die Selbständigkeit äußerst riskant. Studien von Wirtschaftsforschern zeigen jedoch: Unternehmen, die in solchen Zeiten gegründet werden, haben besonders gute Chancen. Der Grund ist leicht einzusehen. Nach einer tiefen Krise kann sich die Wirtschaftslage nur noch verbessern – selbst dann, wenn der große Aufschwung ausbleibt. Wer erst anfängt, seinen Betrieb aufzubauen, wenn die Nachfrage boomt, muß erleben, daß bereits andere die neuen Marktnischen besetzt haben.

Wie auch immer – Sie benötigen auf jeden Fall Ideen, Motivation, Ausdauer und eine hohe Selbstdisziplin. Ob Sie das Zeug zum Unternehmer haben, verrät Ihnen unser kleiner Test.

Juni 2003 © by www.berlinx.de

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