Kennen Sie Em­pfin­dun­gen der Ohn­macht? Füh­len Sie sich manch­mal nieder­ge­schla­gen oder mut­los? Da­gegen setzt philo­sophi­sches Den­ken das Prin­zip Hoff­nung.

Sich in das Schick­sal ergeben oder selbst­bestimmt handeln?
Wenn alles vorher­bestimmt ist, bleibt der Einzelne ohn­mächtig. Diese Haltung heißt Fata­lismus. Nicht nur gottes­gläubige Theologen dachten so. Einer der berühm­testen „ungläu­bigen“ Vertreter dieser Lehre war Baruch Spinoza. Er lebte im 17. Jahr­hundert in Amsterdam und war ein Vorläufer der Aufklärung. Seine Philosophie war beein­flusst von der mecha­nischen Physik. Seine Theorie: Strenge Natur­gesetze regeln die Welt mit der Präzision eines Uhrwerkes. Sie legen auch das Schicksal jedes Einzelnen fest bis ins letzte Detail.

Die entgegen­gesetzte Haltung heißt Volun­tarismus. Idealistische Philosophen beriefen sich auf die Freiheit des Willens. Sie sahen sie aber in erster Linie als geistige Freiheit. Wenn das irdische Leben ein Jammertal ist, kann ich wenigstens in meiner Phantasie Ausflüge in ideale Welten unternehmen. Die Möglich­keiten, das eigene Leben zu verbessern, schätzten beide Lager skeptisch ein.

Das änderte sich mit der amerika­nischen Unabhän­gigkeit und der franzö­sischen Revolution von 1789. Auf einmal war klar: Könige können gestürzt werden. Standes­grenzen sind nicht ewig. Individuen können ihr Leben ändern. Sozia­listische Bewegungen entstanden, die den Wohlstand für alle auf ihre Fahnen schrieben. „Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten“, dichtete Heinrich Heine.

„Das Prinzip Hoffnung“ stellte Ernst Bloch nach 1950 in den Mittel­punkt seiner Philosophie. Menschen entwerfen Utopien und kämpfen dann um ihre Verwirklichung. Die Hoffnung wird damit zur stärksten Kraft der Geschichte. Auch der neue US-Präsident, Barack Obama, beschwor den Glauben an die Hoffnung: „Hope we can believe in“ war einer seiner Wahlkampf­slogans. Die Hoffnung als Teil des amerika­nischen Pionier­geistes ist untrennbar mit der US-Mentalität verbunden.

Doch leider ist die Hoffnung manchmal trügerisch. In ihr lauern vier Fallen:

Falle 1: Rosarote Brille. Hoffnung verleitet dazu, die alltäglichen Schwierigkeiten zu überspringen. Statt die Dinge zu verbessern, redet man sie sich schön.

Falle 2: Passivität. Hoffen kann leicht ein Sich-Abfinden mit unzumut­baren Zuständen werden. Nach dem Motto: Wenn es ganz schlimm steht, kann es nur noch besser werden. Durchaus nicht – es kann auch auf Dauer schlimm bleiben. Am Ende bleibt nur ein lebenslanges Warten auf bessere Zeiten übrig, die nie eintreten.

Falle 3: Verantwortung abgeben. Hoffen heißt für viele: Ich erwarte, dass andere endlich ändern, was mir nicht gefällt. Doch andere finden es vielleicht bequem, dass Sie sich unwohl fühlen. Besser ist es, Verbündete zu suchen, die ebenfalls ändern wollen, was Ihnen nicht gefällt.

Falle 4: Nichts aus Enttäuschungen lernen. Hoffnung wird leicht zur Ausrede, um Ent-Täuschungen zu vermeiden. Wenn ich erwarte, dass sich mein Leben irgendwann von allein bessert, kann ich Enttäu­schungen einfach ignorieren. Klüger ist es, sich bewusst zu machen, was nicht klappt. Das ist der erste Schritt, um erfolg­reiche Strategien zu finden, um sein Leben zu verbessern.

Wie kann ich die Hoffnung als positive Kraft der Veränderung nutzen?

Schritt 1: Hoffnung in Ziele verwandeln. Oft lebt die Hoffnung in uns als unbewusste Kraft. Ich bin unzufrieden, habe aber keine klare Vorstellung, was mich glücklich machen würde. Oft sind es nebulöse Ideale wie eine kreative Tätigkeit, mehr Geld, mehr Freizeit oder zuverlässige Freunde. Doch welche Tätigkeit ist es genau, die mir liegt? Wie viel Geld, wie viel Freizeit brauche ich? Was wäre ich bereit, im Gegenzug dafür aufzugeben? Auf welche Eigenschaften lege ich bei meinen Freunden besonderen Wert? Welche Schwächen dürften sie haben?

Schritt 2: Hoffnungen realisieren. Es genügt nicht sich nur zu wünschen, pünktlich sein Ziel zu erreichen. Man muss sich auch rechtzeitig auf den Weg machen und in den richtigen Zug steigen. Welche Hoffnungen können Sie mit ein bisschen Disziplin selbst verwirklichen? Machen Sie das so oft wie möglich! Denn jede realisierte Hoffnung stärkt Ihren intuitiven Glauben in die Kraft künftiger Hoffnungen.

Schritt 3: Verbissenheit meiden. Wer auf die fünfzigste Bewerbung wieder eine Absage erhielt, verfällt leicht in eins von zwei Extremen. Entweder man fängt an, sich als Opfer zu bemitleiden. Oder man beißt sich fest in einer „Nun erst recht“-Haltung. Man bekommt einen Tunnelblick. Die erfolgreiche Bewerbung wird zum einzigen Lebenssinn. Besser ist es, eine Pause einzulegen, innerlich einen Schritt zurückzutreten. Überlegen Sie sich Alternativen, tauschen Sie sich mit Leidensgenossen aus oder richten Sie Ihre Hoffnungen auf andere Ziele.

Hoffnung ist vor allem dort eine starke Kraft, wo üblicherweise Hoffnungslosigkeit herrscht. Wenn Sie Gefühle der Ohnmacht überfallen, lesen Sie Biographien von Menschen, die unter Extrembedingungen Hoffnung bewahrt haben. In Kriegen, nach Katastrophen oder tödlichen Krankheiten. Der Wiener Auschwitz-Überlebende Viktor Frankl hat daraus sogar eine eigene Form der Psychotherapie entwickelt. Geschichten, die Hoffnung machen, bilden eine ermutigende Gegenkraft gegen die täglichen Mix aus schlechten Nachrichten, Katastrophenmeldungen und Warnungen vor allen möglichen Gesundheitsrisiken.

Literaturtipps:
Brigitte Romankiewicz: Hoffnung neu entdecken. Patmos-Verlag, 19,90 Euro.
Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Suhrkamp-Verlag, 25 Euro.

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veröffentlicht im Juli 2009 © by www.berlinx.de

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