Er redet abfällig über sie vor ihren Freundinnen, sie bestraft ihn mit Sexentzug. Sie reagiert gekränkt, er dreht ihr einfach den Rücken zu. Mobbing ist im Alltag von Paaren genauso häufig anzutreffen wie in der Berufswelt.
Frisch Verliebte lesen einander jeden Wunsch von den Augen ab. Doch bald kühlt die Leidenschaft ab, beklagen sich viele Paare. Gleichgültigkeit und Alltagsroutine zieht ein.
Langeweile – da haben die beiden noch Glück gehabt. Etwa bei jedem fünften Paar kommt es schlimmer. Die Enttäuschung über die verflogene Liebe verwandelt sich in Groll. Die zwei fangen an, gegeneinander zu sticheln. Sie machen geringschätzige Bemerkungen über den andern – erst hinter seinem Rücken, dann öffentlich in seiner Anwesenheit. Der Kleinkrieg eskaliert. Aus Nörgeln werden böswillige Intrigen und körperliche Gewalt.
Paare, die am Anfang eine tiefe Seelenverbindung spüren, sind besonders gefährdet. Denn sie haben hohe Ansprüche aneinander. Der Partner ist die perfekte Ergänzung, spürt jeden unausgesprochenen Wunsch und bildet einen starken Schutzwall gegen die übrigen Welt. Einige Wochen lang scheint alles wunderbar zu sein. Doch dann kommen Momente, wo der Partner aus der Rolle fällt. Wo er befremdliche Wünsche äußert. Wo er Unverständnis zeigt. Die beiden beginnen einander zu ermahnen, zu kritisieren und zu erziehen. Sie wollen einander zwingen, weiter dem eingebildeten Ideal zu entsprechen. Sie strafen einander für ihre Ent-Täuschung.
Realistische Paare haben es leichter. Sie nehmen einander mit Toleranz und Humor. Für ihre Meinungsverschiedenheiten handeln sie alltagstaugliche Lösungen aus. Zum Glück klappt das in den meisten Fällen auch. Aber in einer Gewis-Umfrage berichteten knapp 40 Prozent von Mobbing-Aktionen ihres Partners. Und ebenso viele kennen mindestens ein Paar, bei dem Mobbing stattfindet.
Hat sich Mobbing als Umgangsstil ausgebildet, bleibt meist nur die Trennung. Es fällt sehr schwer, eine Serie von Kränkungen zu verzeihen. Und von Sticheleien auf Toleranz und Sachlichkeit umzuschwenken. Die Kombination aus überhöhten Ansprüchen an das perfekte Paar sowie fehlende wirtschaftliche Zwänge zu pragmatischer Kooperation im Alltag trägt dazu bei, dass hemmungslose Machtkämpfe zunehmen. Die Trennungsquote steigt, die Dauer des Zusammenbleibens sinkt.
Viele leben allerdings lieber in einer schlechten Beziehung als allein. Vor allem, wer schon mehrere Trennungen und Neuanfänge hinter sich hat, findet sich irgendwann mit dem unbefriedigenden Zustand ab. Auch dann, wenn der Psychostress auf die Gesundheit schlägt. Oft verfallen die Beteiligten immer wieder in das gleiche Beziehungsmuster, dass schon bei den letzten Malen nicht funktioniert hat.
Erste Alarmzeichen für Mobbing sind:
- Humorvolle Bemerkungen des andern wirken verletzend.
- Sie spüren das Bedürfnis dem andern mal zu zeigen „wie das ist“.
- Nach einem Streit herrscht tagelang Gewitterstimmung oder Funkstille.
- Sie fangen beide an, Meinungsverschiedenheiten für sich behalten.
- Sie entdecken an ihrem Partner Seiten, die ihnen unheimlich sind.
Bei jedem ersten Anzeichen von Mobbing – im Beruf ebenso wie in der Liebe – gilt die Regel: Wehret den Anfängen! Wenn Sie bei sich oder Ihrem Partner Kränkungen, Verletzungen oder Groll spüren, fragen Sie: „Was ärgert dich?“ Wenn Probleme das erste oder zweite Mal auftauchen, fällt es noch leicht, darüber ins Gespräch zu kommen. Äußern Sie keine Vorwürfe, sondern sagen Sie – als „Ich-Botschaft“ – was Sie nervt: „Es ärgert mich, wenn …“ Schieben Sie Kränkungen nicht auf die lange Bank. Vereinbaren Sie, dass jeder sich für die Folgen seines Verhaltens selbst verantwortlich fühlt – statt den anderen für seinen Ärger verantwortlich zu machen. Wenn Sie denken „Ich bin wütend, weil du …“ formulieren Sie den Gedanken so um: „Du hast folgendes Verhalten gezeigt: … Das ärgert mich. Lass uns über eine Änderung verhandeln.“
Das klingt nicht romantisch. Aber gerade dann, wenn der Partner Eigenheiten zeigt, die mich bis zu Weißglut reizen, ist es der einzige Weg, dem Kreislauf von Groll, Kränkung und noch mehr Groll zu entkommen. Hat sich Mobbing erst einmal etabliert, hindert oft Stolz daran, den ersten Schritt zu unternehmen. Und wenn doch, begegnet der andere dem unerwarteten Entgegenkommen mit Misstrauen. Ist das nicht nur ein neuer Trick, um mich hereinzulegen? Humorvolle, gelassene Toleranz für die Schwächen des Partners ist der beste Weg, um auch nach Jahren noch gegenseitig Respekt und Zuneigung zu bewahren.
Literatur:
Wolfgang Schmidbauer: Mobbing in der Liebe. Gütersloher Verlagshaus, € 19,95
Sonja Nufer/Hans Christian Schrader: Wenn Liebe zum Desaster wird. Mobbing in der Liebe. Eichborn Verlag, € 17,95
Veröffentlicht im Oktober 2007 © by www.berlinx.de
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