Einige fürch­ten sich dem Chef, an­dere vor engen Räu­men, dritte vor Spinnen oder einem Flug­zeug­ab­sturz. Doch viele äng­stigen sich, ohne genau zu wissen, wovor. Mit dem Bericht über Ursachen, Folgen und Ab­hilfen setzt Egonet das Thema Angst fort.

Wer von un­klaren Ängsten überflutet wird, hat es besonders schwer. Er bekommt seine Gefühle nicht unter Kon­trolle und kennt ihre Aus­löser nicht. Manche geraten ständig in Furcht vor nahe­zu allem und jedem. Es gelingt ihnen nicht, sie abzu­wehren oder furcht­erregende Situa­tionen zu meiden. Gele­gentlich, ohne erkennbaren Grund, steigern sie sich in Panik­anfälle hinein. In der Folge beginnen sie, sich vor ihren Ängsten zu fürchten. Sie ent­wickeln eine Angst vor der Angst.

Die Ängste verwandeln sich in körperliche Beschwerden wie Herzjagen, Atemstörungen, Schwitzen, Durchfälle, Zittern, schreckhaftes Aufwachen mitten in der Nacht. Das kann sich bis zu der Angst steigern, jeden Moment durch einen Herzanfall zu sterben. Oder plötzlich in geistige Umnachtung zu sinken und die Handlungs­fähigkeit einzubüßen. Manchmal werden solche Menschen mit Herzinfarktverdacht in eine Klinik eingeliefert. Der Arzt konstatiert dann „ohne Befund“, bemerkt aber, dass sich sein Patient hilflos und allein fühlt.

Was der Einzelne als unklare Panik empfindet, ist ein wohlbekanntes Krankheitsbild. Der Betroffene ist nicht „verrückt“. Es handelt sich um eine Angstneurose, von der besonders empfindsame Menschen betroffen sind – Menschen, die stärker als andere auf unklare Signale mit Besorgnis reagieren. Besonders Kinder, deren Eltern schon unter unspezifischen Ängsten leiden, sind stark gefährdet.

Ängst­liche Menschen bemühen sich meist, ihre Angstzustände zu verbergen und nach außen den Eindruck zu erwecken, sie wären so locker und lebenstüchtig wie jedermann. Oft erkennt man an der Körpersprache – Arme und Beine eng an den Körper gezogen, zusammengepresste Lippen, angespannte Gesichtszüge – welch hohe Selbstbeherrschung dies erfordert. Angstneurotiker haben aber zugleich den Wunsch, Partner zu finden, denen sie vertrauen können und zu denen sie über ihre Ängste reden können.

Die Mitmenschen von Angstneurotikern nehmen deren Probleme meist nicht ernst. Tröstende („Ist doch nicht so schlimm“) oder befehlende („Nun reiß dich mal zusammen“) Reaktionen sind typisch. Sie vermitteln dem Ängstlichen das Gefühl, ein Versager zu sein. Hilfreicher sind Verständnis und positive Suggestionen: „Du hast es schwer. Aber ich bin überzeugt, du schaffst es.“ Doch Achtung! Angstneurotiker neigen dazu, sich an hilfsbereite Menschen zu klammern.

Menschen mit schweren Angstanfällen suchen irgendwann einen Arzt auf, meist einen Allgemeinmediziner. Noch immer verschreiben viele Hausärzte angstmindernde Psychopharmaka (Benzoediazepine, Antidepressiva, niedrig dosierte Neuroleptika). Solche Mittel bekämpfen nicht die zugrundeliegende Ursache. Zudem verringert sich ihre Wirkung nach einiger Zeit infolge Gewöhnung. Es entsteht die Gefahr einer suchtartigen Abhängigkeit. Die meisten Mittel haben außerdem einen sedierenden Effekt, das heißt, sie wirken einschläfernd. Sie vermindern insbesondere die Fahrtüchtigkeit und Reaktionsschnelligkeit.

Angstpatienten sollten grundsätzlich um eine Überweisung an einen Psycho­therapeuten mit Kassenzulassung bitten. Zwar haben auch einige Ärzte eine psycho­analytische Zusatzausbildung durchlaufen und sind in der Lage, eine psychoanalytisch orientierte Kurztherapie durch­zuführen. Diese Therapieform zeigt aber gerade bei Angstpa­tienten kaum Resultate. Erfolgreicher sind die klassische Psychoanalyse und einige Formen der Verhaltens­therapie, kombiniert mit dem Erlernen von Entspannungstechniken, insbesondere der Meditation.
Im nächsten Monat folgt der Beitrag Furcht.

Veröffentlicht im März 2008 © by www.berlinx.de

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