Die Folgen der wachsenden Ungleichheit
Banker verdienen Millionen – Millionen leben von Hartz IV. Ist das gut, weil belohnt wird, wer sich nach oben arbeitet? Oder schlecht, weil zu viele nicht teilhaben am allgemeinen Wohlstand?
Haben Sie mehr als 217 000 Euro auf der hohen Kante? Dann zählen Sie zu den zehn Prozent der wohlhabendsten Deutschen. Das ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW. Weniger als nichts – also Schulden – haben dagegen 32 Prozent, viereinhalb Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Diese und andere Zahlen belegen, dass die Schere von Arm und Reich immer weiter auseinander klafft.
Ist das gut oder schlecht? Auf den ersten Blick ist das ungerecht. Aber Vorsicht! Besonders gering sind die Einkommensunterschiede in der Slowakei. Weil das ganze Land arm ist. Auch in der DDR waren einst die Unterschiede gering. Neoliberale folgern daraus: Reichtum schafft nur, wer selber dabei reich werden kann. Dann fallen auch genügend Brotkrumen für die Ärmeren ab. In der Tat sind im reichen Deutschland die sozialen Unterschiede besonders ausgeprägt.
Doch leider gilt die Umkehrung nicht. Die meisten armen Länder zeichnen sich keineswegs durch Gleichheit der Bürger aus. Im Gegenteil. Einige weisen besonders krasse Unterschiede zwischen oben und unten auf. Denken Sie an Russland, China, aber auch an südeuropäische Staaten wie Italien oder Griechenland. Dagegen verfügen die wohlhabenden skandinavischen Länder über eine lange Tradition des sozialen Ausgleichs.
Egal, ob wir die große Ungleichheit ungerecht finden oder nicht – entscheidend sind die realen Folgen:
Ungleichheit im Einkommen zieht Ungleichheit in der Bildung nach sich. Selbst wenn alle Bildung kostenlos wäre! Wohlhabende Eltern bieten ihren Sprösslingen eine kulturell anregende Umgebung. Bei uns sollen die Schulen die Ungleichheit ausgleichen – dazu müssten die Reichen aber mehr Steuern zahlen. Sie zahlen lieber Privatschulen für den eigenen Nachwuchs.
Ungleichheit erzeugt Ghettos. Wo alle ähnlich viel verdienen, leben arm und reich gemischt in denselben Wohngebieten. Wo die Unterschiede groß sind, bleiben die Reichen unter sich in besseren Gegenden. Die übrigen Viertel überlassen sie den Armen. Zuerst unterscheiden sich nur die Wohnungen, dann folgen die Schulen, die Ärzte, die Straßen und am Ende leben beide Gruppen wie in verschiedenen Staaten.
Ungleichheit erzeugt Angst. Die Trennung der sozialen Gruppen lässt sie einander fremd werden. Man begegnet in der Nachbarschaft nur noch Menschen der eigenen Schicht. Die anderen wirken fremd, wie eine andere Rasse. Ihre Lebensweise kennt man nur noch vom Hörensagen. Man weiß nicht, wie sie ihre Zeit verbringen, wofür sie sich interessieren, was sie von einem denken – bestimmt nichts Gutes. Und dann, was man im Fernsehen so sieht … Die Reichen beschäftigen Sicherheitsdienste, hinter deren Waffen sie sich furchtsam verstecken.
Ungleichheit ist teuer. Die öffentlichen Kosten für Bildung, Gesundheit und Polizei explodieren. Wären alle einigermaßen wohlhabend, könnten wir viele Kosten selbst tragen. Aber da die Reichen mit den Armen nicht so recht teilen wollen, laufen diese ständig zum Sozialamt. Die Beihilfen müssen über Steuern wieder eingetrieben werden. Oder – was noch schlimmer ist – über Staatsverschuldung.
Ungleichheit verstärkt das Statusdenken. Warum wollen Reiche, die schon mehrere Millionen haben, noch reicher werden? Sie können das Geld doch nie ausgeben! Geld ist auch ein Statussymbol . Ich habe zwei Millionen mehr als der Manager nebenan, also bin ich wer! Am anderen Ende der sozialen Leiter fühlen sich die Armen gedemütigt und ausgeschlossen. Kein Wunder, dass viele nicht bereit sind, moralische Gebote zu befolgen, nur damit die Reichen ihren Wohlstand in Ruhe genießen können. Statusgegensätze untergraben die moralischen Normen und fördern die Ellenbogenmentalität.
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veröffentlicht im April 2014 © by www.berlinx.de
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