Warum Philoso­phieren mehr ist als bloßes Nach­denken

ABB-DER-[fusion_builder_container hundred_percent=Haben Sie schon ein­mal in Muße­stun­den vor sich hin philo­sophiert? Oder nur die Ge­dan­ken schwei­fen las­sen? Was unter­schei­det ech­tes Phi­loso­phie­ren von ein­fachem Nach­den­ken?

Welche der beiden folgenden Fragen gehört zur Philo­sophie des Alltags:

  • Lohnt es früh aus dem Haus zu gehen, um frische Brötchen zu kaufen?
  • Was bedeutet es für mich glücklich zu sein?

Hier fällt die Antwort nicht schwer. Frische Brötchen mögen ein Glücksgefühl auslösen, aber die Entscheidung, ob man dafür morgens das Haus verlässt, hat keine philosophische Dimension. Und wenn ich frage, unter welchen Umständen frische Brötchen ein Glücksgefühl herbeizaubern können? Das kann ein Einstieg ins Philosophieren sein. Und damit zu einer tieferen Erkenntnis Ihres Daseins. Es sind vor allem drei Faktoren, die aus alltäglichen Überlegungen ein echtes Philosophieren machen:

Das Grundsätzliche. Meist denken wir über Einzelfälle nach. Soll ich heute früh zum Bäcker gehen oder lieber noch ein Weilchen im Bett bleiben? Sollten Sie jedoch jeden Morgen vor dieser Entscheidung stehen, lohnt es, eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen: Morgens zum Bäcker, ja oder nein? Jeden Morgen oder nur jeden zweiten Tag? Oder meine(n) Liebste(n) überreden, für mich zu gehen? Experten empfehlen, eine Liste der Vorteile und Nachteile solcher Entscheidungen aufzuschreiben. Was aber, wenn Vor- und Nachteile gleich stark sind?

Dann denken Sie noch einen Grad weiter ins Allgemeine. Wie wichtig sind für mich frische Brötchen am Morgen? Ist das frühere Aufstehen vielleicht eine gute Übung, um meinen inneren Schweinehund zu überwinden? Wie wichtig sind mir Genuss, Bequemlichkeit, Disziplin und andere Werte? Wenn Sie über eine Alltagsfrage allgemein und zugleich in Bezug auf Ihre persönlichen Werte nachdenken, sind Sie beim Philosophieren angekommen.

Der Sinn. Sie können Alltagsfragen auf drei verschiedenen Ebenen beantworten. Das sind die Handlungs-Ebene, die Ursachen-Ebene und die Sinn-Ebene.

Wie? Wenn Sie nach dem Wie fragen, geht es um die praktische Umsetzung. Sie befinden sich auf der Handlungsebene, auf der Ebene der sinnlichen Erfahrung. Falls Sie früh zum Bäcker gehen – müssen Sie sich einen Wecker stellen? Legen Sie passende Kleidung für die kühlen Morgenstunden bereit? Ab wann hat der Bäcker geöffnet? Diese Fragen betreffen nur die Alltagspraxis.

Warum? Die Frage nach dem Warum erkundigt sich nach Ihren Motiven, nach Ursachen und Gründen. Das kann neben dem Verlangen nach knusprigen Backwaren der Wunsch sein, sich selbst etwas zu beweisen. Dass Sie es nicht nötig haben, altes Brot aufzubacken. Dass Sie schon am Morgen engagiert sind und auf Lebensqualität achten. Dass Sie gern mit der netten Verkäuferin im Backshop plaudern, die morgens schon gute Laune verbreitet. Hier kommen unausgesprochene Beweggründe und die Psychologie ins Spiel.

Wozu? Das ist die Frage nach dem Sinn. Erst hier beginnt das Philosophieren. Welchen Sinn hat für Sie der morgendliche Einkauf? Während Sie auf der Ursachen-Ebene Lebensqualität anstrebten, denken Sie auf der Sinn-Ebene nach, was Lebensqualität für Sie bedeutet. Und warum frische Brötchen dazu einen Beitrag leisten. Es muss also nicht gleich die große Frage nach dem Sinn des Lebens sein. Auch jede alltägliche Einzeltat, die Ihnen wichtig ist, kann einen tieferen Sinn haben.

Die Existenz. Wir existieren, weil unsere Eltern uns in die Welt gesetzt haben. Keiner hat sich seine Existenz selbst ausgesucht. Aber sie bestimmt unser Dasein. Denn wer geboren ist, muss auch einmal sterben. Unser Leben ist endlich. Viele Lebensentscheidungen haben mit dieser Endlichkeit zu tun. Wir sparen für den Lebensabend oder weigern uns, an Morgen zu denken. Wir glauben an ein jenseitiges Leben oder richten uns im Hier und Jetzt ein. Wir haben Ängste vor dem Tod, vor dem Sterben, vor Krankheiten, aber auch vor Einsamkeit  – oder die begrenzten Lebensjahre durch falsche Weichenstellungen zu vergeuden. Und selbst wenn Ihre Lebensumstände paradiesisch sein sollten – mit dem Tod verlieren Sie alle Ihre irdischen Güter.

Solche Probleme nennt die Philosophie „existentiell“. Sie können jede Alltagsfrage mit solchen existentiellen Überlegungen verbinden. Wenn ich eine bestimmte Aktion unternehme – verleiht sie meinem Leben Tiefe oder bedeutet sie vergeudete Lebenszeit? Befinde ich mich da im Einklang mit mir selbst oder stürzt sie mich in innere Konflikte? Soll ich beim Gewohnten bleiben und damit Ängste vermeiden? Oder soll ich Neues wagen?

So kann der morgendliche Gang zum Bäcker weit mehr als frische Brötchen einbringen. Vielleicht schließen Sie dort neue Bekanntschaften. Vielleicht lernen Sie frühmorgens Ihre Stadt von einer anderen Seite kennen. Auf jeden Fall haben Sie eine kleine Anstrengung auf sich genommen, nach der Sie sich mit einem tollen Frühstück belohnen. Damit haben Sie zumindest zwei Dinge gewonnen: Sie haben einen Grund, sich zu loben. Und Sie haben einen perfekten Einstieg gefunden in Ihre Philosophie des Alltags.

veröffentlicht im Oktober 2009 © by www.berlinx.de

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