Tipps zum Schen­ken ha­ben wir Ihnen schon in zwei frü­heren Bei­trägen ge­geben. Wer den­noch ratlos vor dem Waren­angebot steht, für den ha­ben wir heute einen Trost. Schon immer waren Ge­schenke heikel und dienten nicht nur dazu, Freude zu be­reiten.

Das Wort „schenken“ bedeutet von seiner germanischen Herkunft her „einschenken“, also ein Getränk anbieten. Erst im Mittelalter hat es sich auf andere Gaben ausgedehnt. Im englischen Wort „present“ stckt das Wort Gegenwart. Der Schenkende will durch seine Gabe im Gedächtnis des anderen gegenwärtig bleiben.

Das führt uns zu der Frage: Warum schenken wir? Aus reiner Selbstlosigkeit? Nur um uns an der Freude anderer zu erfreuen? Dann haben wir es schwer. Denn was können wir in unserer Überflussgesellschaft noch hervorzaubern, dass eine große, freudige Überraschung bereitet?

Der Kulturforscher Marcel Mauss hat vor schon vor Jahrzehnten die Schenkpraxis vieler Völker untersucht. Dabei ist er zu einem ernüchternden Schluss gekommen. Am Schenken sind weltweit nicht nur edle Motive beteiligt. Auch der Beschenkte weiß: Es gibt sehr pragmatische Gründe, warum ich eine Gabe erhalte. Fünf Motive für das Schenken finden sich auf der ganzen Welt:

Pflicht. Die Eltern sagen: Du brauchst uns nichts zu schenken. Aber wenn Sie diese Aufforderung befolgen – werden die Eltern darüber wirklich froh sein? Weihnachten und Geburtstag sind Pflichttermine für Geschenke. Das macht es auch so schwierig, das Passende zu finden. Wir sollen eine Überraschung bereiten, wo schon der Anlass keine Überraschung bietet. Unser Tipp: Entziehen Sie sich dem Dilemma. Sagen Sie Ja zur Pflicht. „Ich habe euch nicht vergessen“ ist durchaus eine positive Botschaft, die Glück bereitet.

Eigennutz. Geschenke haben eine anrüchige Seite. Wer kennt nicht die Geschichten von Erben, die die alte Oma schenkend bei Laune halten wollen? Damit sie nicht noch im letzten Moment den Inhalt ihres Sparstrumpfs einem Tierheim vermacht? Auch Korruption und Bestechung findet oft in der Form von „Geschenken“ statt – zum Beispiel als Parteispenden. Selbst Frischverliebte sind nicht frei von Eigennutz. Er schenkt ihr einen Ring, damit sie williger mit ihm ins Bett steigt. Sie schenkt ihm etwas für sein Outfit, damit er sich besser anzieht und sie sich mit ihm sehen lassen kann. Manche Ehepartner schenken Nützliches, dass sie selbst nötiger brauchen als ihre bessere Hälfte. In diesen Fallen trübt Eigennutz die Freude – wenn er als solcher erkannt wird. Aber auch der Wunsch, die Zuneigung des anderen zu festigen, enthält ein Element von Eigennutz. Aber wenn der andere denselben Wunsch hat – was ist dagegen einzuwenden?

Furcht. Herrscher wurden zu allen Zeiten beschenkt, um ihre Gunst zu erkaufen. Noch heute spielen „Freundschafts“-Geschenke in der Diplomatie eine Rolle. Selbst das Einheiraten in eine Rivalenfamilie hatte einst die Funktion, Furcht zu bannen. Man „schenkte“ die Schwester dem starken Mann den gegnerischen Clans, um ihn als Verbündeten zu gewinnen. Und heute? Wir verdrängen gern, wie viel Furcht in unserem Schenken liegt. Doch die Angst, die Zuneigung wichtiger Menschen zu verlieren, bestimmt durchaus den Eifer und die Höhe der Ausgaben.

Liebe. Das edelste Motiv ist die selbstlose Zuneigung. Der Wunsch, dem andern etwas Gutes zu tun. Am reinsten ist dieses Anliegen beim Beschenken von Kindern zu finden. Schon deswegen, weil wir in der Regel keine Gegengaben erwarten. Doch auch bei Pflichtgeschenken an wichtige Personen – zum Beispiel den Chef – sollte wenigstens ein bisschen Sympathie dabei sein. Denn mit Liebe erlangen wir ein Gespür, was dem anderen wichtig ist. Damit wir nicht schenken, was wir selbst, sondern er oder sie toll findet.

Mitleid. Die Kirche hat einst das Almosen institutionalisiert. Und heute? Wir sind das Volk mit einem der höchsten Spendenaufkommen pro Kopf. Da die Unterschiede zwischen arm und reich wachsen, gewinnt das Schenken an Bedürftige wieder an Bedeutung. Die Zahl der Menschen wächst, denen Sie mit einer Mikrowelle tatsächlich eine Freude machen können. Weil sie sich selbst keine leisten können. Hier kommt es auf die Art des Schenkens an. Den Stolz des Bedürftigen nicht zu demütigen, jede Herablassung zu vermeiden – das ist eine Kunst, die nicht jeder kann.

Angesichts dieser fünf Motive ergibt sich eine beruhigende Schlussfolgerung für das Fest. Keine Angst vor konventionellen Geschenken! Eine Verpackung mit persönlicher Note ist wichtiger als das Geschenk selbst. Die Sucht, unbedingt originell sein zu wollen, kann für alle Beteiligten in Stress und peinliche Dankbarkeits­heuchelei umschlagen. Das Geschenk als materieller Gegenstand ist nur das äußerliche Symbol für das, worum es wirklich geht: Die soziale Beziehung festigen, Zuneigung zeigen. Den Wunsch, anderen Gutes zu tun, sichtbar machen.

In diesem Sinne schenkt Egonet Ihnen diese Zeilen in der Hoffnung, Ihnen ein entspanntes Fest zu ermöglichen. Alles Gute für Sie!

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Büchertipp:
Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Suhrkamp, Frankfurt 1990, € 10,–

veröffentlicht im Dezember 2008 © by www.berlinx.de

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