Frauen mögen Liebesfilme mit Herz und Schmerz, Männer bevorzugen rasante Stunts und Kämpfe auf Leben und Tod. Jetzt haben Forscher die Ursache herausgefunden.
Zank vor dem Fernseher. Sie möchte die x-te Wiederholung von „Pretty Woman“ sehen, er besteht auf seiner Krimiserie, in der jede Woche nach dem gleichen Muster die Guten nach heftigem Schusswechsel die Bösen zur Strecke bringen. Die Frage „Was gucken wir heute?“ gehört zu den häufigsten Streitanlässen. Die Ursache: Männer und Frauen lieben nicht die gleiche Art von Geschichten.
Viele Paare lösen den Konflikt, in dem sie sich einen zweiten Fernseher anschaffen. Wenn jeder seinen Lieblingsfilm schaut, verbringen sie die Abende getrennt. Doch damit endet der Unterschied nicht. Sie liest gern Bücher mit anrührenden oder amüsanten Liebesgeschichten. Er sitzt lieber am Computer, ballert im Actionspiel virtuelle Gegner nieder, oder surft im Internet durch die Erotikseiten. Er bevorzugt ein AC/DC-Konzert, sie Robbie Williams. Samstag geht sie lieber in die Oper, er auf den Fußballplatz. Er sucht Aufregung, sie große Emotionen.
Lange Zeit galt die Erziehung zu den Geschlechterrollen als Ursache. Sie folgt dem Vorbild er Mutter, er orientiert sich am Vater, und alle zusammen folgen den Werten der Gesellschaft: Risiko und Kampf für ihn, Beziehungen und Gespräche für sie. Eine Forschergruppe der Universität von Michigan entschloss sich, systematisch nach den Ursachen zu suchen. Sie teilten ihre Versuchspersonen in drei Gruppen ein und setzten sie vor Kinoleinwände. Eine Gruppe verfolgte eine romantische Liebe zwischen einer einsamen Farmersfrau (Meryl Streep) und einem Fotografen (Clint Eastwood) in dem Film „Die Brücken am Fluss“. Die zweite Gruppe sah Mafiakämpfe in „Der Pate II“, die dritte einen nüchternen Dokumentarfilm über den Regenwald am Amazonas. Bei allen drei Gruppen maßen die Forscher vor und nach dem Film die Hormone.
Während des Liebesfilm stieg bei den Zuschauern die Menge des Hormons Progesteron an – und zwar bei Frauen und Männern. Progesteron ist das Gelbkörperhormon. Es bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf eine mögliche Schwangerschaft vor und die weibliche Brust auf die Milchbildung. Da aber auch Männer bekanntlich über kleinere Mengen weiblicher Hormone verfügen, kann man auch bei ihnen den körperlichen Zusammenhang von Liebesgefühlen und Vorbereitung auf Nachwuchs finden. Der Gleichklang der Hormone vertieft die emotionale Bindung von Frau und Mann.
Ganz anders der Actionfilm. Hier reagierten Männer und Frauen völlig verschieden. Bei den Männern wuchs die aggressive Stimmung und sank das Zärtlichkeitsbedürfnis – erkennbar an dem Anstieg ihres Testosterons um 30 Prozent. Dieser Anstieg fiel am deutlichsten bei den Männern aus, die schon vor dem Film hohe Testosteronmengen aufwiesen. Bei den Frauen dagegen ging die Menge männlicher Hormone zurück. Offenbar fühlten sie sich eher bedroht und abgestoßen.
Der Dokumentarfilm bot übrigens keine Überraschung. Die Hormonspiegel beider Geschlechter blieben unverändert.
Diese Studie wirft ein neues Licht auf das Einfühlungsvermögen in die Empfindungen des jeweils anderen Geschlechts. Männer sind durchaus für romantische Gefühle empfänglich. Zärtlichkeit und Bindung ist auch für sie etwas Positives. Dagegen fällt es den meisten Frauen schwer, an Zerstörung und Brutalität etwas Erregendes zu sehen. Sie verfolgen vielleicht mit Spannung, wer am Ende gewinnen wird. Die blutigen Details finden sie jedoch eher abstoßend.
Denken Sie also beim nächsten Streit ums Fernsehprogramm an den Unterschied. Wenn Sie sich beide für den Liebesfilm entscheiden, schlagen Ihre Herzen im gleichen Takt. Er wird danach sanfter gestimmt sein als vorher. Bei sehr viel Gefühl und vorhersehbarer Handlung könnte er sich jedoch langweilen.
Entscheiden Sie sich beide für den Actionfilm, gewinnt er an Selbstbewusstsein. Sie dagegen bleibt innerlich unbeteiligt. Wenn er auf keinen Fall auf Gangster und Kanonen verzichten will, bietet ihr der Zweitfernseher einen Ausweg. Auf jeden Fall sollten beide wissen, dass sie keine vollkommene Übereinstimmung der Gefühle erreichen werden. Es ist wie überall: Die Verschiedenheit ist reizvoll, aber auch eine Quelle von Missverständnissen.
September 2004 © by www.berlinx.de
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.