Vor 150 Jahren waren die Rollen klar verteilt: Männer waren das starke, Frauen das schwache Geschlecht. Heute sind starke Frauen im Vormarsch. Und Männer, die weinen können. Zumindest in den Medien. Im Alltag der Beziehungen sind die Verhältnisse komplizierter. Egonet erläutert, wer wann das Sagen hat.

Wenn es um Männer und Frauen geht, ist kein Thema so oft diskutiert worden wie die Machtverhältnisse. Weniger Lohn für Frauen, Karrierenachteile für Mütter, Doppelbelastung von Haushalt und Beruf, männliche Gewalt – statt Partnerschaft sehen wir männliche Dominanz und weibliche Benachteiligung.

Wo Mann und Frau den Alltag miteinander teilen, sind die Fronten weniger klar. Schon der Philosoph Hegel beschrieb vor 200 Jahren, wie Machtverhältnisse umkippen. Wenn der Pascha sich bedienen lässt, wird er von seiner Dienstmagd abhängig – bis er eines Tages sich in seinem Haushalt ohne ihre Hilfe nicht mehr zurecht finden kann. Damit verliert er seine Dominanz. Der Herr wird von seiner Haushälterin abhängig und tut alles, um sie bei guter Laune zu halten. Jeder kennt Paare, wo er zwar das meiste Geld verdient, sie aber zu Haus „die Hosen anhat“.

Ohne die typischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern erlebten die Paare weniger Machtkämpfe und damit auch weniger Konflikte. Indirekt konnte das der Paarforscher John Gottman aus Seattle in einer gerade erst veröffentlichten Studie zeigen. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren geht es nämlich friedlicher zu. Es gibt weniger Streit und man kämpft weniger darum, wer das Sagen hat. Erstaunlicherweise gilt das nicht nur bei Lesben, sondern auch dort, wo Schwule zusammenleben. Der typische Ehekrach entstammt also nicht dem männlichen Charakter an sich, sondern aus seiner Gegensätzlichkeit zu weiblichen Vorlieben und Abneigungen.

In dauerhaft glücklichen Partnerschaften herrscht weitgehend Ebenbürtigkeit – nicht Gleichheit. Ebenbürtig bedeutet: er hat auf dem einen Gebiet ein Übergewicht, sie auf einem andern. Zu Anfang – wenn zwei sich ineinander verlieben – benehmen sich beide großzügig. Sie gewähren einander einen Vertrauensvorschuß. Sie zeigen sich von ihrer besten Seite, ohne gleich eine Gegenleistung zu verlangen. Allerdings mit der stillschweigenden Hoffnung, daß der andere mit der gleichen Einstellung reagiert. Sobald ich merke, daß meine Großzügigkeit nicht erwidert, sondern ausgenutzt wird, ist es mit meiner Spendierlaune vorbei. Damit erweist sich die Großmut der Liebenden als kluge Form der Eigennützigkeit. Sie ist die raffinierteste Form der Verführung. Ich benehme mich generös, um mir eine ebenso großherziges Benehmen jener Person zu sichern, der mein Herz gehört.

Beim Übergang von der Werbephase zum Beziehungsalltag beginnen beide, auf ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen zu achten. Dabei geht es um mehr als Haushaltsgeld und –pflichten. Manche Frau würde der männlichen Unlust zur Hausarbeit mit Nachsicht begegnen, wenn er ihr dafür mehr Aufmerksamkeit zukommen ließe. Um ausgeglichene Machtverhältnisse ringen Paare auf drei Gebieten:

Entscheidungen: Haben beide gleichviel zu sagen? Oder kann einer von beiden sich besser durchsetzen? Bis ins 20. Jahrhundert hatten Männer Vorteile per Gesetz. Eine Frau konnte ohne Zustimmung ihres Mannes kein Konto eröffnen und keine Wohnung anmieten. Heute hängt die Stärke vom Verhandlungsgeschick und Charaktermerkmalen der Beteiligten wie Beharrlichkeit oder Geduld ab. Wer um des lieben Friedens willen bei Konflikten lieber nachgibt, ist im Nachteil. Wenn der Stärkere nicht von sich aus freiwillig zurücksteckt, kommt es zu einem Ungleichgewicht. Der stillere Partner äußert in aller Regel seine Unzufriedenheit nicht offen, sondern packt eines Tages unerwartet seine Koffer und verschwindet. In einer ausgewogenen Partnerschaft sucht sich der Schwächere einen Ausgleich auf einem der anderen beiden Machtfelder.

Versorgung: Wenn er zwar mehr Geld verdient, sie aber Erziehung und Haushalt fast allein bewältigt, verfügt sie über einen mächtigen Trumpf. Er mag der körperlich und psychisch Stärkere sein – wenn sie jedoch über die Sorgen der Kinder auf dem Laufenden ist und weiß, welcher seiner Anzüge sich gerade in welcher Reinigung befindet? Dann tut er gut daran, ihr ein großzügiges Taschengeld zu gewähren und sie auch sonst zuvorkommend zu behandeln. In der traditionellen Ehe herrschte wechselseitige Abhängigkeit – sie von seinem Geld, er von ihren Haushalts- und Erziehungskompetenzen – vor. Bei modernen Paaren kann jeder von beiden auch alles allein: Geld verdienen und den Haushalt bewältigen. Das vergrößert die individuellen Freiheit, schwächt oft aber auch die Bindung.

Gefühlskompetenz: Wer hier der Stärkere ist, bestimmt das Beziehungsklima. Meist gewinnt hier die Frau durch ihr größeres Einfühlungsvermögen. Männer glauben oft noch, die Beziehung sei in Ordnung, wenn sie sich schon nach einer eigenen Wohnung umschaut. Doch auch wenn die Beziehung gut läuft: wer hier die Hosen anhat, entscheidet darüber, wie wohl sich beide miteinander fühlen. Im Normalfall tragen zwar beide zu einem guten Klima bei. Aber fast immer ist einer von beiden dabei aktiver und ergreift mit kleinen Gesten des Entgegenkommens, der Verweigerung, von Nähe und Distanz die Initiative.

Im Laufe einer Beziehung ereignen sich immer wieder Verschiebungen auf den genannten drei Machtfeldern. Sie verändern den Charakter einer Beziehung, stärken oder schwächen sie. Manchmal kann man solche Machtspiele auch außerhalb von Paaren beobachten. Zum Beispiel im Berufsleben. So manche Chefsekretärin übt auf ihren Boß einen stärkeren Einfluß aus als alle seine Mitarbeiter zusammen, weil nur sie den Überblick über all seine Akten hat. Weil ohne seine Sekretärin seine Ehe schon gestorben wäre. Denn die Sekretärin erinnert ihn nicht nur an seinen Hochzeitstag, sondern besorgt auch das passende Geschenk für seine Ehefrau.

Mehr Informationen, Tips und Beispiele zu den drei Machtfeldern und ihrer Balance finden Sie in folgendem Buch unseres Autors:

Frank Naumann: Die 10 Geheimnisse ewiger Liebe. Krüger Verlag 2003.

November 2003 © by www.berlinx.de

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