Sie durchwühlt seine Manteltaschen nach verräterischen Spuren. Er blättert in ihrem Tagebuch. Perverse Phantasien von Drehbuchautoren oder Realität?

Sie ärgert sich über seine Mutter. Seit die ihm Weihnachten ein schnurloses Telefon schenkte, geht er zum Telefonieren immer auf den Balkon und zieht die Tür hinter sich zu. Ob er mit seinen Kumpels heimlich über sie herzieht? Oder war da gar eine Frauenstimme am andern Ende?

Paartherapeuten predigen seit Jahren, daß zu einer guten Beziehung rückhaltloses Vertrauen gehöre. Heimlichkeiten untergraben den Zusammenhalt. Ein schönes, aber weltfremdes Ideal. Selbst in den besten Beziehungen legen die Partner niemals alle ihre Phantasien, früheren Fehler und Ärgernisse offen. Zwar hoffen Liebende am Anfang oftmals auf eine vollkommene Verschmelzung. Doch gerade in der größten Nähe erwacht das Bedürfnis, Eigenständigkeit und Individualität zu bewahren. Selbst wenn wir bereit wären, uns vollkommen aufzugeben – da der Partner nicht direkt in meine Gedanken blicken kann, bleibt ein Restzweifel, ob ich nicht doch irgendwelche Geheimnisse zurückhalte.

Nicht mal ich selbst kann mir meiner sicher sein: Da ein Teil meines Seelenlebens unbewusst bleibt, wie wir seit Freud wissen, bin ich gar nicht fähig, mich zu 100 Prozent preiszugeben. Meine Psyche schützt sich selbst. Talleyrand, das diplomatische Genie Napoleons, behauptete einst, dem Menschen sei die Sprache gegeben, um seine Gedanken zu verbergen. Gerade wenn der Partner offenherzig von sich erzählt – vielleicht lenkt er mit seiner Plauderei von den interessanteren Skandalen seines Lebens ab?

Wir leben in einem dauernden Widerspruch: Einerseits möchten wir alles von der Person wissen, die wir begehren. Andererseits erlischt dieses Begehren, sobald wir unser Ziel erreicht haben. Was keine Ungewißheit mehr birgt, verliert seinen Reiz. Um das Feuer der Leidenschaft zu bewahren, tun Liebende gut daran, geheimnisvoll zu bleiben.

Fragt man Männer und Frauen, was sie ihren Partner verheimlichen, werden am häufigsten genannt:

  • Phantasien von anderen Partnern
  • Fremdgehen
  • Unzufriedenheit mit dem Liebesleben
  • Gefühle der Eifersucht
  • Geldsorgen.

Damit enden die Gemeinsamkeiten: Frauen reden zwar mehr als Männer, dennoch gelingt es ihnen besser, Geheimnisse für sich zu behalten. Männer reden weniger, doch den Frauen fällt es leichter, sie zu durchschauen. Und zwar anhand ihrer Taten. Frauen haben ein feineres Gespür für den Unterschied von sichtbarem Verhalten und verborgenen Absichten. Männer glauben, daß Frauen genauso leichtgläubig sind wie sie selbst. Sie neigen dazu, ihre Heimlichkeiten mit einer einfachen Schwindelei zu bemänteln. Da sie im Schnitt risikobereiter sind als Frauen, nehmen sie es in Kauf, daß mit ein, zwei einfachen Nachprüfungen ihre Lüge entlarvt werden kann. Der Mann setzt auf das Prinzip: Frechheit siegt.

Frauen als das verletzlichere Geschlecht, sind da vorsichtiger. Sie rechnen mit dem Mißtrauen der Männer. Und staunen, wenn sie mit einer durchsichtigen Schwindelei ohne Probleme durchkommen. Ob sie fremdgehen, zuviel Geld für Klamotten ausgeben oder den Kindern etwas gewähren, was der Vater verboten hat – sie überlegen sich vorher, wie sie sich aus der Affäre ziehen, falls ihr Tun auffliegt. Männer setzen einfach voraus, daß frau ihnen ihre Ausreden glaubt. Kommt sie ihnen auf die Schliche, stehen sie da wie ertappte kleine Jungs.

Was sollte man einander erzählen – in einer Beziehung, die auf Vertrauen beruht? Dafür gibt es eine Faustregel. Unterscheiden Sie zwischen guten und zerstörerischen Heimlichkeiten.

Gute Geheimnisse helfen, die Zuneigung zu bewahren. Sie sollten Sie also schön für sich behalten. Dazu gehören

  • Wünsche, die der Partner nicht erfüllen kann,
  • Probleme, bei denen er nicht helfen kann,
  • Ärger über Verhaltensweisen, bei denen er nicht über seinen Schatten zu springen vermag.

Falls Ihnen diese Dinge auf der Seele brennen, vertrauen Sie sie lieber einem guten Freund (oder Freundin) an.

Zerstörerische Geheimnisse schaden der Beziehung. Über sie sollten sie also reden. Dazu gehört alles, was direkt oder indirekt Ihre Partnerschaft beeinflußt, zum Beispiel schlechte Erfahrungen mit Ex-Lovern und anderen Personen, die Ihr Vertrauen in das Gute im Menschen erschüttert haben. Die Narben, die Sie zurückbehalten haben, prägen Ihr Liebesverhalten. Der Partner sollte die Gründe kennen und verstehen. Sprechen Sie über alle Probleme, die Ihre Beziehung in irgendeiner Form belasten, vor allem, wenn sich Ihre Pläne, Ihre Wünsche und Ihre Zuneigung verändert haben. Ihm zu verschweigen, was auch ihn betrifft, wäre unfair. Sie selbst wünschen ja auch zu erfahren, was Sie angeht.

Wenn Sie nicht wissen, um welche Art von Geheimnis es sich handelt, ob Sie reden oder lieber schweigen sollten, stellen Sie sich folgende Frage:

Will ich mich von Schuldgefühlen befreien, zeigen, wie begehrt ich bin oder daß ich recht habe, will ich testen, was unsere Liebe aushält – oder hilft meine Enthüllung ihm, mich besser zu verstehen? Trifft eines der eigennützigen Motive zu – Vorsicht! Der Partner könnte genauso eigennützig zurückschlagen.

Was Sie für sich behalten sollten, um Zoff zu vermeiden:

  • Wie viel Sie insgesamt für Kosmetik und Klamotten ausgeben.
  • Erotische Träume von anderen und wie gut Ihr(e) Ex war.
  • Wie sehr Sie andere Paare bewundern und was Sie an seinen/ihren Freunden auszusetzen haben.
  • Was in Ihrem Tagebuch und Briefen steht und daß Sie in seinen/ihren Papieren stöbern
  • Wie oft Sie für Ihre Selbstbestätigung mit anderen flirten
  • Einen einmaligen Seitensprung.

Unser Autor Dr. Frank Naumann hat zu diesem und vielen anderen Fragen glücklicher Beziehungen ein Buch geschrieben, das ab 20. Februar 2003 im Buchhandel erhältlich ist:

Frank Naumann

Die zehn Geheimnisse ewiger Liebe

Krüger Verlag, Frankfurt/M.

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Veröffentlicht im Februar 2003 © by www.berlinx.de

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