In zwei Bei­trägen hat Egonet über allge­meine Ängste be­richtet, deren Quelle für die Betrof­fenen im Dun­keln bleibt. Doch viele Men­schen wissen genau, wovor sie sich äng­stigen. Es hat sich einge­bürgert, diese kon­kreten Ängste als Furcht zu bezeichnen.
Die meisten Zeit gehen Sie ruhig und sieges­sicher durch das Leben. Doch wenn eine Bewährungs­situation eintritt? Wenn meh­rere Bela­stungen gleichzeitig Ihre volle Aufmerk­samkeit verlangen? Wenn Sie in Gefahr geraten, die Über­sicht zu verlieren, aber von Ihrem richtigen Handeln alles abhängt?

Wer unter Belastung steht oder sich in einer Situation bewähren muss, wo viele Augen auf ihn gerichtet sind, spürt sein Herz klopfen und sein Atem geht schneller. Lampenfieber und Anfälle momentaner Panik treten auf. Diese äußere Anzeichen zeigen, dass der Körper alle Reserven mobilisiert, damit wir die nächsten Minuten erfolgreich durchstehen. Für viele stellt die Furcht vor der Bewährungssituation eine unüberwindliche Barriere dar. Sie erröten, stottern und vermitteln den Eindruck, der Situation nicht gewachsen zu sein. Obwohl sie vielleicht besser vorbereitet und fachlich kompetenter sind als ein Kollege, der seine Zuhörer lediglich mit einem Lächeln, ein paar lockeren Sprüchen und selbst­sicheren Gesten überzeugt.

Wen die Furcht sich zu blamieren daran hindert, seine Fähigkeiten und seine Persönlichkeit ins rechte Licht zu rücken, kann dagegen etwas tun. Was nutzen wochenlange Vorbereitungen, wenn es nicht gelingt, im entscheidenden Moment, andere von den Ergebnissen seines Strebens zu überzeugen? Nutzen Sie in diesem Fall unsere acht Anti-Angst-Strategien aus unserem Beitrag über Angst. Die wichtigste Regel lautet: Tun Sie genau das, wovor Sie sich fürchten, und tun Sie es immer wieder!

Die Hauptquelle der Angst vor Risiko-Situationen liegt in Hemmungen und Minder­wertigkeits­komplexen. Schuld daran ist meist die frühkindliche Erziehung. Wer von seinen Eltern und in der Schule viel getadelt, aber wenig gelobt wurde, entwickelt Selbstzweifel. Bin ich jemand, der seine Mitmenschen grundsätzlich nicht zufrieden stellen kann? Er zieht es deshalb vor, Aufgaben auszuweichen, von denen er weiß, dass er hinterher mit Kritik rechnen muss. Wer aber anfängt, bestimmte Situationen zu meiden, dem fehlt später die Gelegenheit zu erfahren, dass er mit diesen Situationen gut zurechtkommt, sobald keine Eltern mehr da sind, die von vornherein ihren tadelnden Zeigefinger erheben.

Glücklicherweise erstreckt sich dieses Vermeidungsverhalten bei den meisten nicht auf alle Situationen, in denen er mit anderen Menschen in Kontakt kommt. Die meisten haben ein bestimmtes Gebiet, das sie am liebsten meiden. Häufig handelt es sich um ein Betätigungsfeld, auf dem man aufgrund seiner Hemmungen schon einmal versagt hat. Dann versucht man die angstbesetzten Situationen zu meiden und Erfolge auf anderen Gebieten zu suchen. Schwierig wird es, wenn ein Ausweichen aufgrund der Lebensumstände nicht möglich ist:

  1. wenn ein Prüfungsängstlicher ein Studium aufnimmt
  2. wenn jemand, der Angst hat, Unbekannte anzusprechen, einen Beruf wie Verkäufer, Arzt oder Lehrer erlernt
  3. wenn Hemmungen sich als Karrierehindernis erweisen
  4. weil es jemandem mehrfach nicht gelingt, sich gegen seine Kollegen oder gegen Behörden durchzusetzen
  5. weil jemand im Kontakt mit dem anderen Geschlecht errötet, stottert, sich zurückzieht, und deshalb vereinsamt

Gute Freunde können helfen, sich der Furcht zu stellen. Wenn Sie einen Vortrag halten müssen und das Lampenfieber Sie quält, bitten Sie ein, zwei Freunde, sich in die erste Reihe zu setzen. Schauen Sie während Ihrer Rede Ihre Freunde an. Lassen Sie sich ermunternd zunicken. Auch bei anderen Furchtvarianten im Alltag fällt es leichter, einen Versuch zu wagen, wenn man weiß, dass da jemand im Hintergrund ist, der eingreift, wenn die Dinge außer Kontrolle geraten.

Wenn die Furcht das Leben beherrscht, reicht diese Selbsthilfe nicht aus. Dann bieten sich eine Reihe von Psychotherapien mit sehr guten Erfolgsaussichten an. Die besten Therapien bedienen sich der systematischen Desensibilisierung: die Ängstlichen werden schrittweise an ihr Angstobjekt gewöhnt. Diese Methode hat eine Erfolgsquote von bis zu 90 Prozent – in der Psychotherapie ein Spitzenwert! Sie kann kombiniert werden mit Entspannungstechniken, Selbstsicherheitstraining und vielen anderen Verfahren. Der Vorzug dieser Therapien besteht in ihrer Effektivität. Zwanzig Sitzungen in maximal zehn Wochen reichen den meisten Fällen aus. Psychoanalytische Behandlung kann zusätzlich die frühkindlichen, unbewussten Quellen der Ängste ins Bewusstsein zurückrufen. Hier dauert aber viel länger, bis eine lindernde Wirkung eintritt, die im Alltag Bestand hat.

Im nächsten Monat setzen wir das Thema fort mit dem Beitrag Phobien.

Veröffentlicht im April 2008 © by www.berlinx.de

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