|
-
Die Liste der berühmten Migräniker ist lang: George Bernhard Shaw,
Charles Darwin, Sigmund Freud ...
-
Der Schmerz betrifft in zwei von drei Fällen nur eine Hälfte des
Kopfes, sitzt mit seinem Zentrum hinter einem Auge und kann bis zu drei Tage
andauern. Geräusche und Licht stellen einen Reiz dar, der das Leiden
ins Unerträglich steigert. Immer wieder Übelkeit und Erbrechen.
Manche werden von der Attacke völlig außer Gefecht gesetzt. Andere
erleben eine mildere Form, können noch arbeiten oder sich um die Familie
kümmern. Äußerlich ist ihnen nichts anzusehen. Ärzte
und Angehörige können sich nur auf die Schilderungen der Kranken
verlassen. Deswegen wird das Leiden immer noch unterschätzt.
-
Nimmt man leichte Verlaufsformen dazu, leiden etwa ein Viertel aller Frauen
und ein Achtel der Männer an Migräne. Bereits jedes zwölfte
Kind hat Migräne.
-
Schon 1770 vermutete der italienische Arzt Dr. Tissot, daß es sich
um ein Erbleiden handelt. Heute ist klar: Erbfaktoren schaffen eine Veranlagung
für Migräne. Veränderungen in den biochemischen Abläufen
im Gehirn fördern das Entstehen von Entzündungen an den
Hirnhäuten, wodurch die Schmerzattacken ausgelöst werden. Eine
besondere Rolle scheint ein erblicher Serotoninmangel (das ist ein
Nervenbotenstoff) zu spielen. Ob Migräne tatsächlich in Erscheinung
tritt, hängt von Faktoren der Lebensweise ab allerdings sind
die Abläufe trotz aufwendiger Forschung immer noch nicht klar.
-
So wird ein bestimmtes Charakterbild für die Neigung zur Migräne
verantwortlich gemacht. Danach sind Migräniker oft sehr fleißig,
gewissenhaft und ordnungsliebend. Sie zeigen Ehrgeiz und versuchen, jeden
Fehler zu vermeiden. Dadurch überfordern sie sich. Damit ergibt sich
das Bild eines angepaßten, höflichen Zeitgenossen, der wegen seiner
Verläßlichkeit beliebt ist, dem es aber an spontaner emotionaler
Wärme mangelt und der innere Unsicherheit durch übertriebene
Selbst-Wachsamkeit verdeckt. Oft beobachtet man rastlose Aktivität,
die Unfähigkeit, einfach mal nichts zu tun, ohne die innere Unruhe,
man könne wichtige Zeit vergeuden.
-
In der Tat ist eine solches Persönlichkeitsprofil unter Migränikern
häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt. Man muß aber bedenken,
daß ein ähnliches Charakterbild auch für Infarkt- und
Krebspatienten beschrieben wird. Es scheint, daß starke Selbst-Beherrschung
und mangelnde Spontaneität in den Gefühlsäußerungen
generell ein Risikofaktor für alle Krankheiten darstellt, auf deren
Entstehung und Verlauf die Psyche einen großen Einfluß hat. Dieses
Charakterbild erklärt nicht, wieso nicht mindestens ebensoviel Männer
wie Frauen an Migräne leiden. Und warum auch gelassene Charaktere erkranken.
-
Immerhin ergibt sich daraus, daß Migräniker mit den beschriebenen
Charaktereigenschaften bessere Heilungschancen haben, wenn sie es schaffen,
ihre Selbst-Kontrolle zu lockern. Alles, was heute als Bestandteil einer
gesunden Lebensweise gilt Regelmäßigkeit, Exzesse vermieden,
körperliche Bewegung, früchtereiche Ernährung mildert
auch die Stärke und Häufigkeit von Migräneattacken. Es kommt
also stark auf das Verhalten zwischen den Attacken, in der Zeit relativen
Wohlbefindens, an. Ausdauersport über Jahre, zwei, drei Stunden in der
Woche, bringt bei der Mehrzahl der Patienten die Migräne die Beschwerden
nach und nach zum Verschwinden. Betroffene, die so schwere Anfälle haben,
das selbst starke Schmerzmittel nicht mehr helfen, erfahren durch
körperliche Bewegung zumindest eine Milderung des Schmerzes, so daß
die Tabletten und Infektionen wieder helfen.
-
Migräneattacken entwickeln sich meist nicht völlig spontan, sondern
werden durch Umweltereignisse ausgelöst. Dazu gehören Ärger,
Streß, Wetterumschwünge, veränderte Schlaf- und Aufstehzeiten,
Lärm, grelles Licht, aber auch Hormonausschüttungen. Es wird empfohlen,
ein Migränetagebuch zu führen und genau zu registieren, welche
Bedingungen den Schmerz auslösen. Dadurch erfährt der Betroffene,
worauf er achten muß. Leider lassen sich viele Reize nicht vermeiden.
Das genaue Achten auf die Auslöser kann unter Umständen die
Sensibilität und damit die Schmerzempfindlichkeit für diese Reize
noch erhöhen. Andererseits kann der Arzt in Zusammenarbeit mit einem
Psychotherapeuten eine Desensibilisierungtherapie versuchen, die die
Empfindlichkeit für einen unvermeidbaren Auslöser verringert.
-
In der Praxis gelang es in der Mehrzahl der Fälle bisher nicht, das
Leiden gänzlich zu heilen. Dennoch gibt es eine Reihe neuer
Möglichkeiten, die Beschwerden zu verringern. Die Schwierigkeit besteht
weniger darin, eine Therapie zu finden, die sich bei Migräne bewährt
hat davon gibt es viele sondern daraus diejenige auszuwählen,
die dem konkreten Patienten, der gerade die Sprechstunde aufsucht, helfen
wird.
-
Sämtliche Entspannungsmethoden wie Autogenes Training, Progressive
Muskelentspannung, Meditation, Musiktherapie oder Yoga haben auch schon
Migränikern geholfen leider ist bei manchen die Wirkung nur gering
oder bleibt ganz aus. Durch das Hören entspannender Musik kann man Attacken
mildern, wenn man dabei sich beruhigende Szenen und Bilder vor Augen führt
zum Beispiel eine Blumenwiese oder einen verlassenen Strand mit Palmen
und sanftem Meeresrauschen.
-
Joggen ist sehr oft hilfreich, sofern sich der Betroffene zu einem
regelmäßigen Training überwinden kann und sich darauf einstellt,
daß die Besserung nicht sofort eintritt. Bei vielen wird Migräne
durch bestimmte Nahrungsstoffe ausgelöst. Wer Rotwein,
Süßigkeiten, Kaffee, scharfe Gewürze und unter Umständen
auch eiweißreiche Nahrung (Milchprodukte, Fleisch) einschränkt,
erreicht nicht selten eine deutliche Linderung der Anfälle.
-
Manchmal helfen natürliche Heilmittel wie Schlüsselblumentee,
insbesondere bei Patienten, bei denen Autogenes Training wirkungslos blieb.
Das Getränk hat gefäßverengende Eigenschaften. Frauen, deren
Migräne durch den Zyklus ausgelöst wird, sind erfolgreich mit
hochdosiertem Magnesium (täglich 0,6 Gramm) behandelt worden.
-
Die Pharmaindustrie forscht zur Zeit an Medikamenten, die die Reaktion bereits
im Gehirn anhalten, damit Entzündungen gar nicht erst entstehen. Zu
den wirksamsten Mitteln, die schon auf dem Markt sind, gehören Triptane.
Sie helfen selbst dann noch, wenn eine Attacke schon im Gang ist.
-
Kinder können erfolgreicher geheilt werden als Erwachsene. Deswegen
sollten Eltern ihr Kind, falls es öfter unter Kopfschmerzen leidet,
einem Arzt vorstellen. In diesem Alter sind auch noch Charaktereigenschaften,
die Migräne fördern, durch Erziehung auszugleichen.
-
Adressen von Schmerzspezialisten und Selbsthilfegruppen gibt es zum Beispiel
über die Migräne Liga, 65462 Ginsheim-Gustavsburg, Tel.: 06144/2211,
im Internet unter www.migraeneliga-deutschland.de.
-
|