EGONET.de
Ausgabe 04/1999
Wetterfühligkeit
Dunkle Wolken – düstere Laune?

Kopfschmerzen bei Föhn, abgeschlafft bei Schwüle, Problem mit dem Blutdruck bei Regenwetter – jeder dritte kennt Beschwerden, die mit dem Wetter zusammenhängen. Klimaänderungen beeinflussen die Seele und den Körper. Der April mit seinem raschen Wechsel von Sonne und Regen stellt Wetterfühlige auf eine besonders harte Probe.
Frauen sind mindestens dreimal so häufig von Wetterfühligkeit betroffen wie Männer – wahrscheinlich aus hormonellen Gründen. Dabei streßt uns nicht das Wetter an sich, sondern es sind die Klimaänderungen, die uns zu schaffen machen. Das dies keine bloße Einbildung ist, läßt sich sogar an den Statistiken der Kriminal- und Verkehrspolizei nachweisen. Legt man die durchschnittliche Unfallhäufigkeit zugrunde, steigt die Zahl der Unfälle bei aufziehendem Gewitter um 7,6 Prozent und bei einem Wechsel von kühlem zu feuchtwarmem Wetter um 9,2 Prozent. Bein Föhnwetterlagen werden vor Gericht Gutachter herangezogen zu der Frage, ob das Wetter Gewalttätigkeiten begünstigt hat. Wenn ja, spricht das im Zweifelsfall für den Angeklagten.
Klimaänderungen sind ein Streßfaktor. Dabei wirken naturgegebene Änderungen wie Feuchtigkeit, Luftdruck, Temperatur oder UV-Strahlung mit solchen Faktoren zusammen, die der Mensch erzeugt hat (Smog, erhöhte Strahlenbelastung). Der Körper paßt sich automatisch an die Klimafaktoren an. Verändern sich diese, muß der Körper seine Anpassungswerte umstellen.
Die Körpertemperatur erhöht sich beispielsweise durch Weiten der Blutgefäße. Wird es draußen sehr warm, muß der Körper folglich die Blutgefäße verengen, um seine innere Temperatur bei etwa 37 Grad zu halten. Die Veränderung des Durchmessers der Adern und Venen beeinflußt aber nicht nur die Körpertemperatur, sondern auch den Blutdruck und ist verantwortlich für bestimmte Arten von Kopfschmerzen. Ist das Wetter stärker als das körperliche Anpassungs­vermögen, können echte Krankheitssymptome (wie Fieber) auftreten.
Ähnliche Regulierungsfaktoren reagieren innerlich auf veränderten Luftdruck und -feuchtigkeit. Die Umstellung – besonders, wenn sie schnell erfolgt – wirkt wie ein zusätzlicher Stressor. Das Nervensystem meldet die Anstrengung an das Gehirn weiter. Dann empfinden wir schlechte Laune, sind reizbar, werden müde, bekommen Kopfschmerzen, Schwindelanfälle oder können nachts nicht gut schlafen – Folgen, wie sie auch von anderen Streßfaktoren bekannt sind.
Ist der Körper ohnehin schon empfindlich, zum Beispiel wegen einer Allergie oder einer Krankheit (Diabetes, Rheuma, Asthma), ist der Wetterumschwung eine zusätzliche Belastung. Manchmal wird eine besondere Sensibilität, die unter normalen Umständen unbemerkt bleibt, durch Wetteränderungen erst deutlich fühlbar, zum Beispiel eine Neigung zu Blutdruckschwankungen oder Migräne. Dann handelt es sich um Zeitgenossen, deren „inneres Barometer“ zuverlässiger funktioniert als die Wettervorhersagen meteorologischer Stationen mit einem Millionenbudget.
Bekannt sind etwa Rheumatiker, deren Gelenke stärker schmerzen, sobald ein Gewitter naht. Bei einer solchen Wetterlage steigt die elektrische Ladung der Atmosphäre an, weil die Luftteilchen der warmen und kalten Schichten aneinanderreiben und sich dabei aufladen. Indirekt steigern diese Ladungen den Ausstoß des Nervenbotenstoffes Serotonin, der unter anderem die Schmerzempfindlichkeit steigert.
Andere Klimaänderungen und ihre Auswirkung auf den Körper sind:
  • Kälteeinbruch: Die Adern und Venen verengen sich. Die Folge: der Blutdruck steigt. Menschen mit ohnehin hohem Blutdruck sind gefährdet. Infarkte, Thrombosen, Schlaganfälle werden wahrscheinlicher. Wer niedrigen Blutdruck hat, fühlt sich dagegen besser.
  • Starke Erwärmung und Schwüle: Adern und Venen erweitern sich. Wer an niedrigem Blutdruck leidet, muß mit Kopfschmerzen und Schwindel rechnen, denn das Herz muß in der gleichen Zeit mehr Blut durch den Körper pumpen als vorher. Ausdauertraining beugt diesen Beschwerden vor. Menschen mit hohem Blutdruck fühlen sich dagegen oft besser als sonst.
  • Föhn: Es handelt sich um trockenen, warmen Wind, der von den Bergen ins Tal weht. Er veranlaßt die Nebennierenrinde, vermehrt Adrenalin auszustoßen, ein Hormon, das Puls und Blutdruck erhöht. (Adrenalin wird auch bei Streß ausgestoßen und soll den Körper eigentlich bei Gefahr für eine Flucht aktivieren.) Die Folge sind typische Streßsymptome wie Konzentrationsmängel, Kopfschmerzen, Gereiztheit. Manche Menschen mit einer Veranlagung für eine endogene Depression (siehe unseren Beitrag „Depression“ in der vorigen Ausgabe des EGONet) profitieren dagegen von einer Föhnwetterlage. Der Adrenalinausstoß verbessert ihre Stimmung, sie fühlen sich angeregt, ja sogar „high“.
Wetterfühligkeit ist kein Schicksal, sondern ein Hinweis darauf, daß unser Körper Schwierigkeiten hat, mit Belastungen fertig zu werden. Wir verbringen zuviel Zeit in dem künstlichen, gleichmäßigen Klima unserer Wohnungen und Büros. So wie Muskeln und Ausdauer trainiert werden müssen, wenn der Körper eine bestimmte Leistung erbringen soll, sinkt auch die Klimatoleranz unter Stubenhockerbedingungen. Ständig 22 Grad und trockene Luft – wir reduzieren Umweltschwankungen auf ein Minimum.
Wer seinen Körper Veränderungen aussetzt, wird seine Wetterfühligkeit verringern. Als besonders wirksame Vorbeugung haben sich erwiesen:
  • Wechselwarmes Duschen: Zwei Minuten bei Körpertemperatur (knapp 37 Grad) und anschließend 15 bis 20 Sekunden mit kaltem Wasser duschen. Drei Durchgänge, mit kaltem Wasser abschließen. Anschließend mit dem Handtuch die Haut ordentlich abrubbeln. Am besten eine Bürstenmassage anschließen: kreisende Bewegungen auf der Haut Richtung Herz.
  • Bewegung an der frischen Luft. Sport ist ideal, aber auch halbstündige Spaziergänge, bei denen Sie ordentlich ausschreiten, bringen einen guten Effekt. Wichtig: Nicht bei Sonne, sondern auch, wenn regnet, stürmt oder schneit.
  • Sauna: Wer regelmäßig einmal pro Woche das komplette zweistündige Saunaprogramm durchzieht, wird bald keine Probleme mehr mit Wetteränderungen haben.
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