EGONET.de
Ausgabe 6/1999
Allergien
Wenn Obst und Milch krank machen

Nach offiziellen Statistiken ist jeder Dritte gegen irgend etwas überempfindlich, was die übrigen Menschen nicht nur vertragen, sondern sogar als besonders gesund genießen. Der Arzt diagnostiziert dann eine Allergie. Überempfindlichkeit gegen Lebensmittel ist der häufigste Fall.
 
Migräne durch Nüsse, Asthma durch Äpfel – das kann doch nur Einbildung sein! Leider nicht. Für Millionen von Menschen folgt dem kurzen Genuß eine lange Reue. Die Mundschleimhäute fangen an zu jucken, es brennt auf der Zunge, Hautausschlag, Übelkeit, Kopfschmerzen und Atemnot stellen sich ein. Das Immunsystem, das uns vor schädlichen Viren und Umweltgiften schützen soll, wendet sich auf einmal gegen harmlose, ja sogar gesunde Nahrungsmittel. Zu den häufigsten allergieauslösenden Naturprodukten zählen: Äpfel, Bananen, Bohnen, Eier, Erbsen, Erdbeeren, Fisch, Hefe, Käse, Kiwis, Mehl, Milch, Möhren, Muscheln, Sellerie, Tomaten.

Besonders schwer hat es, wer einen Grundstoff nicht verträgt, der in vielen Lebensmitteln enthalten ist. Zum Beispiel ähnliche Eiweiße. Wer gegen Birkenpollen empfindlich ist, muß sich auch vor Nüssen und Äpfeln in acht nehmen.

Der beste Rat ist, die allergenen Stoffe zu meiden. Leider sind viele versteckt in künstlichen Lebensmittel vertreten. Wer weiß schon, welche Eiweiße er einkauft, wenn er eine fertige Salatsauce erwirbt? Oder in welchen Kuchen Nüsse kleingeheckselt verarbeitet werden?

Eine weitere Gefahr bilden Mangelkrankheiten. Wer etwa Milchprodukte nicht verträgt und versucht, im Alleigang alles Milchartige (also auch Käse, Joghurt usw.) zu meiden, muß sich möglicherweise bald mit den Folgen von Kalziummangel oder Mangel an Vitamin D herumschlagen. Osteoporose und andere Mangelerkankungen drohen. Ein Diätplan sollte daher immer mit einem Arzt abgestimmt werden.

Wie kommt es überhaupt zu Allergien? Wie schon gesagt, reagiert das Immunsystem überempfindlich auf ungefährliche Substanzen, die von den Immunzellen wie gefährliche Gifte bekämpft werden. Das geschieht in zwei Schritten. Zunächst fängt der Körper scheinbar ohne Grund an, bei einem Kontakt mit einer harmlosen Substanz Immunglobuline zu bilden. Das sind Eiweißstoffe, die die körperfremde Substanz neutralisieren. Solche „Antikörper“ entstehen auch, wenn etwa Grippeviren oder Bakterien in die Blutbahn gelangen. Dieser erste Schritt bleibt unbemerkt.

Doch damit ist das Immunsystem gegen die fragliche Substanz sensibilisiert. Bei einem zweiten Kontakt bricht die Allergie aus. Mit Hilfe der Immunglobuline beginnt der Körper die fremde Substnaz zu bekämpfen. Was wir als Allergie wahrnehmen, sind die Folgen des Kampfes – ähnlich wie bei einer Fiebererkrankung.

Praktisch kann alles Allergien auslösen. Neben Nahrungsmitteln sind Überempfindlichkeiten gegen Pollen, Hautschuppen und Haare von Haustieren. Holzstaub, Insektengifte, aber auch Kosmetik, Kleider, Medikamente und Schmuck bekannt.

Bis vor wenigen Jahrzehnten was das eine eher seltene Störung: Heute sind allein in Deutschland 27 Millionen Menschen betroffen. Tendenz: weiter steigend. Neue Allergieformen treten auf. Zum Beispiel Elektroallergie. Die Betroffenen reagieren mit Augenbrennen, Kopfschmerzen und Atemnot auf Mobiltelefone, Neonlicht und Computermonitore. Der Grund für diese rasante Zunahme liegt (ähnlich wie bei der Wetterfühligkeit, siehe unseren Beitrag in EGONet 5/99) in unsere abgeschirmten Lebensweise. Wir setzen uns und unsere Kinder kaum noch natürlichen Umweltreizen aus. Dadurch fehlt unserem Immunsystem das notwendige Training, um wirkungsvoll zwischen gefährlichen und harmlosen Umweltreizen zu unterscheiden. Es schlägt gegen jeden stärkeren Reiz zurück. Neuere medizinische Studien belegen, daß vor allem gut behütete Einzelkinder aus Familien mit hohem Hygienestandard überdurchschnittlich gefährdet sind, später an Allergien zu erkranken. Daß Kinder gern in Pfützen planschen und sich von oben bis unten mit Matsch einschmieren, scheint also eine wichtige Funktion für die gesunde Immunabwehr zu haben.

Viele Allergien sind schwer nachzuweisen, vor allem, wenn auf ausgefallene Substanzen empfindlich regiert wird – oder umgekehrt auf Stoffe, die sich so gut wie überall finden. Manchmal glauben auch die Betroffenen selbst nicht, daß sie allergisch regieren. Wenn Beschwerden häufig zu bestimmten Zeiten, an bestimmten Orten oder in Zusammenhang mit bestimmten Verhaltensweisen auftreten, könnte es sich um eine Allergie handeln. Schniefnase, Atemnot, Kopfschmerzen – viele führen das auf Überarbeitung, eine gerade grassierende Grippewelle oder mangelnde Abhärtung zurück. Dabei kann den Betroffenen häufig wirksam geholfen werden. Nicht selten genügen kleine Veränderungen in der Lebensweise, um auf Dauer beschwerdefrei zu leben. Der Hausarzt (oder in schwierigen Fällen speziell ausgebildete Allergologen) wird mit Hilfe einer Reihe von Reaktionsprüfungen versuchen, die allergieauslösende Substanz festzustellen. Bis jetzt wird meist der Patient selbst getestet. Ein neues Diagnoseverfahren, entwickelt von dem Schweriner Professor Dr. Hans-Jürgen Reimann, begnügt sich mit einer millimetergroßen Gewebeprobe, die stellvertretend für den Menschen im Labor getestet wird. Die Therapie ist meist eine Kombination aus Ernährungsplan und Medikamenten.

In den letzten Jahren machte die Medizin auf dem Gebiet der Allergiebehandlung erhebliche Fortschritte. Dies sind die wichtigsten neuen Therapien:


  • Allergie-Impfung (Immuntherapie): Durch Spritzen wird der Reizstoff in langsam wachsenden Konzentrationen zugeführt, bis sich das Immunsystem an den Stoff gewöhnt hat und ihn nicht mehr als Gift bekämpft. Nachteil: Die Wirkung dieser Therapie zeigt sich oft erst nach Jahren. Aber das ein Großteil der Allergiker nach drei bis sechs Jahren ganz oder wenigstens teilweise wieder beschwerdefrei sein wird, ist für viele eine große Hoffnung.
  • Antihistaminika: Medikamente, die die Wirkung eines Zellbotenstoffes blockieren, der für die unangenehmen Symptome während der Immunabwehr verantwortlich ist. Die neuen Präparate wirken schneller und haben kaum noch Nebenwirkungen.
  • Leukotrinehemmer: Sie stoppen ebenfalls Botenstoffe, die insbesondere bei asthmatischen Reaktionen beteiligt sind.
  • Immunglobulin-E-Hemmer: Das sind Medikamente, die die allergische Reaktion schon im Vorfeld stoppen sollen. Sie befinden sich noch in der Erprobung und werden erst in drei bis vier Jahren auf den Markt gelangen.
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