Trotz der in unserem letzten Beitrag genannten
Schwierigkeiten haben sich einige Grundsätze im Laufe von Jahrzehnten
für jede Art von Werbung bewährt und kommen daher immer wieder
zur Anwendung:
- Bringe eine einzige Botschaft, einfach gestaltet.
- Stelle den Vorteil des Kunden heraus (weniger Leistung
des Produkts).
- Betone Kleinigkeiten und gestalte diese möglichst
sensationell ("dramatisieren"), um so die Einzigartigkeit
der Werbebotschaft hervorzuheben.
- Gewinne die Sympathie der Konsumenten durch geschickte
Auswahl der Schauspieler, Sprecher und der Musik.
Da aber inzwischen alle Agenturen so vorgehen, genügt
das nicht, um sich aus der Masse der Werbungen abzuheben. Die Fachleute
müssen heute tief in die Trickkiste greifen, um den übersättigten
Konsumenten überhaupt noch zu erreichen
Die wichtigsten, psychologisch bewährten Tricks
in der Werbung sind:
Behaupten: Ich kann dir bieten, was keiner bietet.
Werbefachleute lassen sich immer neue Varianten einfallen, um zu "beweisen":
unser Produkt ist besser als alle übrigen. Dabei müssen sie
verhindern, daß der Käufer einen objektiven Vergleich zwischen
allen Konkurrenten anstellt. Der Kunde soll kaufen, ohne in Ruhe alle
Angebote des Marktes zu prüfen. Um das zu erreichen, wird gern
suggeriert, daß der Anbieter selbst schon für den Kunden
diesen Vergleich angestellt hat und dabei feststellen mußte, daß
er selbst der Beste ist. Besonders beliebte Varianten dieser Psychotechnik:
- Selber Stiftung Warentest oder andere Tester zitieren
(wie die Konkurrenzprodukte abschnitten, wird nur dann erwähnt,
wenn man selbst zur Spitze gehörte),
- Verwendung von Superlativen ("der größte,
beste, modernste, preiswerteste ..." - das suggeriert, es gäbe
keine vergleichbare Konkurrenz),
- Details hervorheben ("nur echt mit dem Siegel
...") oder erfinden (Spinat mit dem Blub), über die kein
anderer verfügt, und seien Sie für den Gebrauchswert noch
so nebensächlich.
"Zeugen", d.h. zufriedene Kunden, persönlich
berichten lassen. Diese Kunden sind entweder erfunden, also von
Schauspielern dargestellt, oder es werden einige hundert befragt und
nur die fünf gezeigt, die sich enthusiastisch (selbstverständlich
gegen Honorar) zu dem fraglichen Produkt äußerten. Solche
Befragungen sind wirksam, wenn sie echt wirken. Mit dem Mann oder der
Frau von der Straße können wir uns leicht identifizieren.
Außerdem wird ein gewisser Gruppendruck vorgegaukelt. Es scheint,
als ob viele Leute das Produkt verwenden und wir zum Außenseiter
werden, wenn wir es nicht tun.
Leistungen und Fähigkeiten des Kunden anerkennen.
Wer in einem Spot ein Produkt verwendet, ist immer der oder die Gute,
Clevere, Attraktive, Junggebliebene usw. Da wir alle gelegentlich Selbstzweifel
hegen und weniger fehlerhaft sein möchten, fällt die Botschaft
auf fruchtbaren Boden. Wer möchte nicht gern gut, klug, attraktiv
und jugendlich sein? Indirekt versprechen die Werber, daß wir
mit ihrem Produkt der Perfektion näher rücken. Sorgfältig
vermeiden sie alles, was den Eindruck erwecken könnte, man wolle
den Noch-nicht-Kunden kritisieren, weil er bisher ihr Produkt nicht
benutzte.
Behaupten, daß etwas für den Kunden wichtig,
unverzichtbar ist. Werbeexperten wissen natürlich ganz genau,
daß die meisten Dinge, die sie in den höchsten Tönen
anpreisen, überflüssig oder zumindest nicht lebensnotwendig
sind. Also muß die Unentbehrlichkeit irgendwie herbeigeredet werden.
Einfallslose Werber lassen es bei der bloßen Behauptung. Andere
appellieren an weitverbreitete Überzeugungen, die bei Kaufentscheidungen
erfahrungsgemäß eine wichtige Rolle spielen:
- Bei alten Produkten Tradition, bei neuen Produkten,
die sich noch nicht bewährt haben, das Neue, Fortschrittliche
betonen.
- Verbesserungen versprechen, die aber nicht kompliziert
sein und nicht lieb gewordene Gewohnheiten der Kunden umstoßen
dürfen.
Einsatz von Prominenten. Viele nehmen einen bekannten
Internetprovider und einen Spinat erst wahr, seit Boris Becker und Verona
Feldbusch für sie werben. Die bekannte Mediengestalt muß
nicht unbedingt als Vorbild wirken. Prominente erhöhen auch dann
die Aufmerksamkeit, wenn sie nicht zu einer positiven Identifikation
anregen. Der Effekt des Wiedererkennens reicht schon aus, um die Werbebotschaft
effektiver im Gedächtnis zu verankern: Vertrautes schafft Vertrauen.
In dieser Hinsicht ist der Einsatz von Prominenten ein Sonderfall des
folgenden Prinzips.
Die Kombination von Auffälligkeit und Wiederholung.
Wiederholung macht Seltsames zu Vertrautem und schiebt es in unserer
subjektiven Wichtigkeitsskala unmerklich nach oben. Manche Werbesprüche
gewinnen mit der Zeit Kultcharakter, werden zitiert, kopiert und weiter
abgewandelt (wie: "Nicht immer, aber immer öfter" oder
"Die längste Praline der Welt"). Wichtig ist aber auch,
daß schon die erste Darbietung die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Um sich durch Wiederholung zu festigen, muß eine Botschaft überhaupt
erst einmal zur Kenntnis genommen werden. Wenn das gelingt, ist bei
jeder Wiederholung der Wiedererkennens- und Lerneffekt hoch. Eher mäßige
Anzeigen fallen auch bei vielfacher Wiederholung durch unser Raster
der Informationsauswahl.
Aufmerksamkeit weckt man durch Ungewohntes: Überdimensionales,
Grelles oder Witziges (eine Socke als Krawatte - erfolgreicher Werbegag
einer Strumpffirma). Bei der zunehmenden Überflutung mit Werbung
sinkt der durchschnittliche Aufmerksamkeitspegel immer weiter, daher
entwickelt sich eine Tendenz, immer simplere, grellere und aus dem Rahmen
fallendere Spots zu senden.
Folgende "Eye-Catcher" fesseln die Aufmerksamkeit
am stärksten:
- Gesichter (sie wecken Emotionen durch ihre Mimik),
- Nacktheit (sexueller Reiz),
- Starke Kontraste,
- Bewegung (beide letztgenannten Mittel werden besonders
bei Internetbannern genutzt),
- starke, reine Farben (rot ist am auffälligsten).
Markentreue fördern. Markentreue ergibt
sich aus Wiederholung + Stammkundschaft. Der Werbeaufwand, der nichts
weiter tut, als eine Marke immer wieder zu nennen, ist sehr teuer wegen
seiner hohen Wiederholungsrate, erlaubt aber am Ende z.B. ein Waschmittel
(Persil) oder ein Kopfschmerzmittel (Aspirin) mehr als doppelt so teuer
zu verkaufen als "namenlose" Konkurrenzprodukte, die aufs
Atom aus identischen Stoffen bestehen.
Markenbewußtsein gewinnt heute an Bedeutung, da
der Markt kaum noch erweitert werden kann, und billige No-Name-Produkte
den Traditionsfirmen die Preise verderben. Dann ist es eine erfolgreiche
Strategie, den Markt aufzuteilen und sich ein (Luxus-)Segment zu sichern.
Bei Uhren besitzen Rolex und Swatch unterschiedliche Fankreise mit eigenen
Klubs und Messen, wo sich die Gleichgesinnten treffen. Bei Mode- und
Parfümdesignern ist diese Marktsegmentierung kaum noch zu überschauen.
Die Marken bemühen sich, soviel Individualität wie möglich
zu entwickeln, die durch wenige spezielle Details (Styling) sofort erkennbar
zu werden. Beispiele: Die lila Kuh von Milka, die Wildwestszenerie für
Marlboro.
Die Befriedigung geheimer Wünsche nach Anerkennung
und anderer seelischer Bedürfnisse versprechen. Die Ware ist
nur Mittel, um beim Kunden das Verlangen nach einem Kaufmotiv anzuregen.
Man verkauft
nicht
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sondern die Idee
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Möbel
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Gemütlichkeit
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Fertigspeisen
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einfach zu bereitendes, schmackhaftes Essen
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Haarwasser
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Aussehen
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Kleidung
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Selbstgefühl
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Unterricht
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Berufserfolg
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Lotterielose
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Hoffnung auf Gewinne (Geld, Beneidetwerden)
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Pauschalreisen
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Erlebnisse
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Nähmaschinen
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preiswerte Kleider nach eigenem Geschmack
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(Quelle: Goldmann, Heinz M.: Wie man Kunden gewinnt.
Das Leitbuch erfolgreicher Verkaufspraxis.
Cornelsen Verlag Schwann-Girardet, Düsseldorf 1990.)
Hinter manchen Produkten, z.B. Autos, können mehrere
Ideen stecken. Die wichtigsten werbewirksame Bedürfnisse sind:
- Geltungsbedürfnis,
- Sex und Liebe,
- Anlehnungs-, Kontakt- und Kommunikationswünsche,
- Selbsterhaltungstrieb und Gesundheitsstreben,
- Jugendlichkeit, Schönheit und Attraktivität,
- Geld sparen oder gewinnen,
- Neugier, Amüsement und Unterhaltung,
- Bequemlichkeit und Sicherheit.
Werber suchen Wege, plausibel zu versprechen, daß
ihr Produkt diese Bedürfnisse erfüllt.
Spezielle Werbestrategien für Billig- und Luxusprodukte.
Bei Waschmittel und anderen Billigwaren, die häufig und gewohnheitsmäßig
gekauft werden, geben wir uns als Kunden keinen langen Überlegungen
hin. Bei diesen Waren appelliert Werbung fast ausschließlich an
angenehme Gefühle. So werden Zahnpasta, Mineralwasser oder Seife
mit Attributen wie "frisch", "angenehm" oder "erotisch"
kombiniert. Im Experiment zeigte sich, daß Versuchspersonen längst
spontan, also von sich aus, entsprechende Assoziationen herstellen.
Dieses Vorgehen gelingt vor allem bei nicht erklärungsbedürftigen
Produkten, wo alle Konkurrenzmarken als gleichwertig erscheinen.
Anders bei teureren, dauerhaften Konsumgütern,
die selten und nur nach längerer Überlegung gekauft werden
(Autos, Fernseher, HiFi-Anlagen, Computer). Hier wird der Werber vor
allem eine Problemlösung versprechen, die aber stets nicht nur
eine technische, sondern auch eine seelische Seite hat. So eignet sich
ein bestimmtes Auto in einem aktuellen Spot nicht nur, bei schlechtem
Wetter zu fahren, sondern bei dieser Gelegenheit auch die Geliebte zu
besuchen, ohne daß die Ehefrau argwöhnisch wird. Der Fahrer
erscheint dank seines Gefährts nicht als unmoralischer Betrüger,
sondern als pfiffiger Lebenskünstler.
Es lohnt, gelegentlich Werbung bewußt anzuschauen
und sich ihre Mechanismen bewußt zu machen. Das immunisiert besser
gegen ihre Verführungskraft als der bloße Entschluß,
irrationalen Verkaufsverführungen zu widerstehen.
Aber keine Firma wird sich zur Sicherung ihrer Marktposition
allein auf die Werbung verlassen. Heutzutage ist Werbung nur ein Teil
einer umfassenderen Verkaufsstrategie, des Marketing.
Marketing ist alles, womit der Produzent Einfluß
auf den Markt nimmt, insbesondere:
- die Preispolitik,
- das Firmenimage,
- Public Relations (besonders Pressebeziehungen, Tag
der offenen Tür, Ausstellungen, eigene Veröffentlichungen,
Sponsortätigkeit),
- die Handelsverbindungen,
- der Einsatz von Vertretern,
- die äußere Gestaltung der Produkte und
ihrer Verpackung.